Skagboys 01

das Schiff gefahren und nicht per Kran an Bord gehoben werden. Die eigentliche Mission unseres neuen Chefs besteht allerdings darin, uns nach dieser kurzen Einführung die Parteilinie einzubläuen: — Ich muss wohl nicht extra betonen, dass Personen, die illegale Drogen konsumieren oder besitzen, nicht nur sofort entlassen, sondern auch strafrechtlich verfolgt werden.
    Der gekränkte Ausdruck auf Sick Boys Visage ist einfach bewundernswert. Benson kauft ihm seine Entrüstung tatsächlich ab und rudert daraufhin etwas zurück.
    — Es liegt mir natürlich fern, Ihnen etwas zu unterstellen, verehrte Ladys und Gentlemen. Es ist nur so, dass unser Fährhafen Hoek van Holland nicht allzu weit von Amsterdam entfernt ist, und … na ja, es ist natürlich Ihre Sache, was Sie in ihrer Freizeit machen, solange es nicht die Sicherheit an Bord und die Qualität unseres Service beeinträchtigt …
    Er quatscht noch ne Runde weiter, aber ich versuche, sein Gelaber auszublenden, indem ich mich auf den Arsch der kleinen Perle mit der Robert-Plant-Mähne konzentriere. Wie nicht anders zu erwarten, starren Sick Boys Augen auf dasselbe Ziel. Nicksy sieht etwas gaga aus und glotzt teilnahmslos ins Leere. Dann verabschiedet sich Benson: — Herzlichen Glückwunsch an Sie alle. Jetzt sind Sie offiziell Teil der großen Sealink-Familie. Ich freue mich drauf, Sie Anfang nächsten Jahres an Bord zu sehen!
    Damit sind wir also angeheuert. Drei, vier oder sechs Millionen Arbeitslose springen in diesem Land rum – kein Arsch weiß die genaue Anzahl, weil die Berechnungsgrundlagen alle drei Tage geändert werden –, und der abgefuckteste Haufen von Junkies, Schwuchteln und Fick-weiß-was-noch-für-Abrieb, der sich je in diesem Fährhafen zusammengerottet hat, wird von Sealink für die bevorstehende Frühjahrssaison eingestellt! Unfassbar. Kann’s gar nicht erwarten, der Frau Mutter und dem Herrn Vater die freudige Nachricht zu überbringen, dass ihr Zweitältester tatsächlich mal was auf die Reihe gekriegt hat.
    Wir besteigen den Zug nach London in Partylaune. Ein paar Dosen werden geöffnet, und Marriott klärt uns über die Details der Linkerei auf – ganz großkotzig und geschäftsmännisch, versteht sich: Vom Fährhafen in Holland fahren wir nach Dam rein, kaufen den Shit von irgend so einem Typen und bringen das Zeug an Bord. — Der Kerl am Schreibtisch, den ich euch gezeigt hab …, erklärt Marriott, obwohl ich nich mitgekriegt hab, dass er uns irgendjemanden gezeigt hat, — … dieser Frankie, das is unser Mann. Er trinkt gern einen im Globe Pub in Dovercourt. Wenn wir anfangen, nehm ich euch mal mit, und ihr gebt dem Kerl n Bier aus, damit er sich eure Gesichter merkt. Ihr müsst euch nur mit diesem Typen gut stellen, dann lässt er euch immer mit einem Nicken durch. Von dem krieg ich auch die Schichtpläne zugesteckt. Is nämlich verdammt wichtig, dass wir wissen, welcher dieser Wichser vom Zoll gerade Dienst hat. Wenn dieser Bastard Ron Curtis Schicht schiebt und seine Runde dreht, wird’s gefährlich. An dem Wichser kommt keiner vorbei. Wenn der misstrauisch wird, müssen wir uns verstecken und den Kopf unten halten. Scheißegal, wie mies wir uns fühlen oder wie sehr wir n Hit brauchen!
    Mir fällt es ziemlich schwer, dem Penner zuzuhören. Den anderen geht’s ebenso. Dieses Speed is echt unglaublich. Hab mir zwei fette Lines durch die Nase reingezogen, und jetzt schießt mir jedes Mal ein Blitz die Wirbelsäule hoch, wenn die Räder des Zuges über eine Unebenheit auf den Gleisen holpern.
    Yee-hah! Roll along covered wagon, roll along …
    Die Feierlaune potenziert sich, als in Shenfield eine Gruppe besoffener Ladys mit Weihnachtsmannmützen zusteigt. Unter ihnen ist eine Blondine, die ein paar Knallbonbons rauskramt. Natürlich ist Sick Boy sofort zur Stelle, um ihr zur Hand zu gehen. Sie ziehen das Bonbon entzwei, und Si setzt sich den darin enthaltenen Hut auf, ein lilafarbenes Teil aus Krepp. — Wenn ich euch so anseh, will ich ganz andere Bonbons auswickeln, neckt er die Girls mit einem lüsternen Augenzwinkern, woraufhin die Schnitten losgackern. Er beugt sich zu der Blondine rüber und flüstert ihr etwas ins Ohr. Sie schaut ihn mit gespielter Empörung an und knufft seinen Oberarm. Kurz darauf liegen sie sich schon in den Armen und lecken sich die Gesichter ab.
    Ich bin ziemlich aufgekratzt und voller übermütigem Tatendrang. Also ziehe ich mein Feuerzeug raus und setze Sick Boys Krepphut in Brand.
    Eine der