Skagboys 01
wollten wir doch heute zum Pleasure Beach fahren«, seufzte meine Mutter. »Ach, gib ihm einfach das Geld und lass ihn gehen, sonst zieht er den ganzen Tag über so ein Gesicht«, antwortete mein Dad kopfschüttelnd, während ich es kaum abwarten konnte, endlich das Eintrittsgeld ausgehändigt zu bekommen, um mich mit Unmengen von Eiscreme in die wunderbare, dunkle Einsamkeit des Kinos verziehen zu können … weg von Billy und seinen Adleraugen. War die Flucht dann gelungen, hallte immer wieder ein Satz durch mein Oberstübchen: »Macht’s gut, ihr Trottel!«
Never before has a boy wanted more …
Als wir auf der Golden Mile, der Vergnügungsmeile in Blackpool, ankommen, steuern wir direkt die belebte Kneipe unter dem Blackpool Tower an. Es ist gerappelt voll, aber wir kriegen trotzdem ein paar Drinks und sehen sogar noch, wie Platini das Siegtor gegen Portugal schießt.
— Nich schlecht, dieser Typ, was, Rab?, sage ich zu Second Prize, der sich mit einem Pint und einem doppelten Wodka bewaffnet hat und langsam in Stimmung kommt. Er will aber nicht über Fußball reden. — Dieses Northern-Soul-Zeug, Mark?!, beginnt er und hört sich dabei an wie mein Vater. — Was is das eigentlich? Was hat’s damit auf sich?
— Wirst schon sehen, Kumpel, lacht Tommy, während neben uns ein fetter Typ eine Flasche Beck’s öffnet. Kaum ist der Deckel ab, spritzt ihm die ganze Brühe auf die Klamotten, und seine Kumpels krümmen sich vor Lachen. Sie haben die Flasche kräftig geschüttelt, als der Dicke kurz wegschaute. — Ihr verdammtn Arschgeigen, schimpft er mit starkem West-Midland-Dialekt.
— So ein Pech aber auch, Kumpel, sagt Tommy lachend und klopft dem Typen auf die Schulter.
— Das war kein Pech, Mann, sondern diese Flachwichser da, stöhnt er. In jeder Gang gibt es einen fetten Typen, manchmal auch mehrere. So läuft das in der Tower Bar in Blackpool. Wenn du in der richtigen Stimmung bist und mit den richtigen Leuten abhängst, kann es einer der tollsten Orte auf Planet Erde sein.
Mein bester Kumpel ist wahrscheinlich Tommy. Der macht sich nen Kopf über Sachen und kümmert sich um Leute … vielleicht manchmal sogar ein kleines bisschen zu viel, wenn man sich überlegt, in was für einer Welt wir leben. Mit seiner drahtigen Figur – sieht aus wie ein Halbschwergewichtsboxer, der Junge – is er einer der attraktivsten Typen, die ich kenne, im Grunde aber trotzdem ein sehr bescheidener Kerl.
Irgendwie fangen wir dann an, über Mädchen zu quatschen, und unterhalten uns darüber, was wir an ihnen mögen. Ich sage, dass ich kleinbusige Girls bevorzuge, was für meine Kumpels einem Verbrechen gleichkommt. Nachdem sie mir allerlei Beleidigungen an den Kopf geworfen haben – von Schwuler bis Pädophiler is alles dabei –, schüttelt Keezbo nur den Kopf und meint: — Nichts da, Mr. Mark, ich mag Mädchen mit ein paar anständigen Hupen dran.
— Magst sie anscheinend so sehr, dass du dir gleich selbst hast welche wachsen lassen, was?!, erwidere ich und begrabsche seine Biertitten.
Nach diesem kleinen Schlagabtausch ist klar, dass der Tower zwar für eine gewisse Zeit die perfekte Location sein mag, diese Zeit aber sehr begrenzt ist. Nichts mehr mit Fußball und Kumpels. Jetzt heißt es Tanzen und Weiber. Wir leeren also unsere Gläser und machen uns auf den Weg zum Club. Als wir die Promenade runterlaufen, kommen alte Erinnerungen hoch. Es ist, als würde warmes Wasser über die eingefrorenen Momente der Vergangen heit spülen und die Erinnerungen in meinem Kopf auftauen. Ich kann meine Ma hören: Sie sitzt zwischen unseren Betten, schaut Billy und mich abwechselnd an und liest uns Geschichten vor. Ihre belegte Raucherstimme hebt und senkt sich, während sie uns von Hunden, Bären und Pferden erzählt. Wir alle genießen diesen Moment, genießen die Geschichte, warten innerlich aber angespannt auf das nächste Bellen des kleinen Davie. Denn dann fällt der Vorhang, und die geborgte gemeinsame Zeit ist zu Ende.
Der Club befindet sich im Veranstaltungssaal eines großen Hotels, ein Stück weiter oben auf der Promenade. Als wir reinkommen, ist schon mächtig was los. Es läuft gerade ein Stück, das ich nicht kenne, aber ich bewege trotzdem die Lippen und tue so, als würde ich mitsingen. Auf keinen Fall werd ich Keezbo die Genugtuung verschaffen und ihn fragen, von wem der Song ist. Langsam schie ben wir uns durch die Menge nach vorn. Als wir an der Bar vorbei kommen, hält Second Prize inne und glotzt
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