Skagboys 01
hat ihr in Anspielung auf ihren richtigen Namen, Audrey Todd, bereits einen Spitznamen verpasst. Offenbar findet er ihr Äußeres geschmacklos und ihr Verhalten seltsam und hat sie daher kurzerhand »Tawdry Odd« getauft. Wundert mich überhaupt nicht, dass sie sich in dieser Umgebung lieber in die einsame Sicherheit ihres Zimmers zurückzieht. Sie trägt eine ausgewaschene blaue Jeans, unter der sich ganz sicher ein paar äußerst ansehnliche Beine verstecken. Tom blickt in die Runde und bleibt bei mir hängen. »Mark?«
Seine aufdringliche Redeaufforderung nervt gewaltig. Ganz besonders, weil er mich gerade beim Gaffen erwischt hat. Viel uncooler kann die Situation kaum noch werden. Ich fahre sofort meine Schutzschilde hoch: »Netter Versuch, Tom, aber damit machst du mich bestimmt nicht gesund.«
»Ich könnte dich ruckzuck gesund machen, Mark«, meint Swanney. »Kleiner Fix, und schon geht’s dir viel besser.«
Er erntet ein paar unsichere Lacher.
»Ich habe nicht gesagt, dass ich dich gesund machen könnte.« Tom schüttelt den Kopf. »Das kannst nur du allein.«
Mit einem Nicken nehme ich die offensichtliche Wahrheit in seinen Worten zur Kenntnis. »Dann stellt sich doch aber die Frage, warum du überhaupt hier bist …«
Molly mokiert sich über meinen Kommentar.
»Ich bin hier, um zu helfen«, antwortet Tom.
»Nur damit ich das richtig verstehe …«, hake ich nach, »… du kannst mich nicht gesund machen, sondern mir nur Hilfe zur Selbsthilfe geben? Du kannst mich unterstützen, mir den Weg erleichtern? Ist das der Deal?«
»Genau.«
»Warum solltest du das aber tun wollen?«
»Ich verstehe. Du zweifelst meine Motivation an?«
»Nein.« Ich lächle. »Ich würde das nur gern klarstellen.«
Das ist eine von Toms Waffen bei den Einzelgesprächen: Er bohrt so lange und so tief, bis man irgendwann Anstoß nimmt oder beleidigt ist, und meint dann stets: »Ich wollte das nur gern klarstellen.« Jetzt, wo ich diese Methode bei ihm anwende, scheint er sie nicht mehr so zu mögen. Seine Nasenwände wölben sich, als er langsam ausatmet. »Mark, das hatten wir doch alles schon. Mit diesen Diskussionen drehen wir uns im Kreis und kommen nicht voran. Lass uns das bitte aus der Gruppe raushalten und in den Einzelgesprächen diskutieren, wie wir es vereinbart haben.«
»Wie wir es vereinbart haben? Du meinst wohl eher, wie du es festgelegt hast.«
»Wie auch immer. Lass es uns einfach aus der Gruppe raushalten.«
An diesem Punkt mischt sich Molly ein. »Ha! Das wäre ja mal was! Das Problem in dieser Gruppe ist doch, dass es sich immer irgendwie um Mark Renton drehen muss.«
Ich nehme die Herausforderung der Schwachmatenschlampe gerne an und schieße zurück. »Wow, Molly, am besten rennst du gleich zur St. Monans Times . Das muss einfach auf die Titelseite: Egozentrischer Junkie missbraucht Reha-Gruppensitzung!«
»Wenigstens versuchen einige von uns, was aus diesen Sitzungen mitzunehmen. Du willst doch hier bloß deine Kumpels beeindrucken!«, faucht sie mich an und schaut mit Verachtung in die Runde. Audrey kaut indes weiter auf ihren Fingernägeln herum.
Eigentlich hat Molly sogar recht. Ich dachte bisher, dass sie in der Schule nur damit beschäftigt gewesen ist, die Schwänze ihrer Mitschüler an den Fahrradunterständen zu lutschen. Aber falsch! Das Mädchen hat mehr Checkung als gedacht. Das Einzige, was diese Gruppensitzungen für mich interessant macht, sind die Lacher mit den Jungs. Daher ist es auch ganz und gar nicht in meinem Sinne, dass Tom davon Wind bekommt, und deshalb sage ich so ernst wie nur irgend möglich: »Pass auf, Molly, für mich ist es einfach unheimlich schwierig, mit all dem hier klarzukommen. Ich versuche nur herauszufinden, wo die einzelnen Leute stehen. Das ist alles.«
Glücklicherweise geht Tom nicht weiter darauf ein, sondern zieht nur mit einem milden Ausdruck der Verzweiflung im Gesicht seine Augenbrauen nach oben. »Worüber ich heute sprechen möchte, sind Auslöser. Welche Faktoren wirken in eurem Alltag als Auslöser für den Drogenkonsum?«
»Wenn die Sonne morgens aufgeht, ist das schon Auslöser genug für mich, sag ich mal«, meint Spud und erntet dafür reichlich Grinsen von den anderen. Tom ignoriert seinen Kommentar, obwohl es Spud todernst mit seiner Antwort ist. Er sucht etwas anderes. Etwas, mit dem er arbeiten kann.
»Ich brauch bloß auf die Straße zu treten …«, meint Keezbo mit ernster Miene. Der Dicke macht mir Sorgen. Er scheint seinen
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