Skalpell Nr. 5
Haarproben heraus, dann ein ovales graues Metallstück.
»Was ist das?«, fragte Manny.
»James Lyons hatte eine Platte im Kopf. Pete hat sie gefunden.«
Er reichte sie ihr. Die Platte war mit winzigen Löchern perforiert; Manny hielt sie gegen das Licht. Manny Manfreda, Privatdetektivin. »Da sind Buchstaben eingestanzt.« Sie blinzelte. »A.V.E.«
»Wahrscheinlich die Initialen des Chirurgen, der sie eingesetzt hat.«
Es überlief sie kalt. »Warum macht ein Mensch so was? Eine Platte im Kopf ist schon schlimm genug – aber dann noch mit Autogramm?«
»Schädel«, korrigierte Jake. »So selten ist das gar nicht. Der Arzt könnte es gemacht haben, damit man sich mit ihm in Verbindung setzen kann. Aber wahrscheinlich war er einfach nur eitel. Manche Arzte können der Versuchung nicht widerstehen, Gott zu spielen. In einer Leiche, die ich obduziert habe, hatte ein Chirurg seine Initialen in die Leber geschnitzt. Der wollte ein bisschen vor der OP-Schwester angeben.«
»Das ist Körperverletzung. Ihr seid schon ein gruseliges Völkchen.«
»Die Initialen hier auf der Platte könnten uns weiterhelfen«, sagte Jake, ohne auf ihre spitze Bemerkung einzugehen.
»Meinen Sie, um vielleicht auch die anderen Leichen zu identifizieren?«
»Das hoffe ich. Wenn wir den Chirurgen ausfindig machen können, oder zumindest seine Krankenakten, kann er uns vielleicht sagen, wer die anderen waren.«
»Wieso hatte Lyons überhaupt eine Platte im Kopf?«, fragte Manny. »Vielleicht ein Unfall?«
»Kann sein, aber ich tippe eher auf Behandlung gegen die Epilepsie, an der er litt, als Folge eines Kriegstraumas.«
»Indem sie ihm ein Loch in den Kopf schneiden?«
»Früher gab es mal die Theorie, man könnte Krampfanfälle verhindern, wenn man einen Teil des Schädeldachs entfernt, um den Hirninnendruck zu verringern. Heute glaubt das kein Mensch mehr. Das Verfahren ist barbarisch – wie die frontale Lobotomie.« Gedankenverloren streichelte er das Metall.
Wieder diese sanfte Berührung. Sie konnte sie beinahe fühlen.
»Die Operation muss nach seiner Entlassung aus der Army gewesen sein«, fuhr Jake fort. »Sonst wäre er nicht genommen worden. Das ist eigenartig. Ich dachte, die Methode wäre in den Vierzigerjahren aufgegeben worden. Aber Lyons hat in Korea gekämpft. Vielleicht haben die Militärärzte damit weitergemacht, um Geld zu sparen.« Er begann, auf und ab zu gehen.
Das macht er immer, wenn er nachdenkt. Genau wie Sherlock Holmes.
Jakes Stimme klang jetzt so wie während der Obduktion von Mrs. Alessis. »Lyons ist nicht unmittelbar nach dem Einsetzen der Platte gestorben. Der durchtrennte Knochen konnte noch einige Monate verheilen.«
»Ist das wichtig?«
»Ich weiß nicht.« Er setzte sich hin und nahm einen anderen Knochen zur Hand. »An dem hier hängt noch das Etikett. Der erste und zweite Nackenwirbel von Skelett Nummer drei. Sehen Sie, die Bruchkanten sind unregelmäßig – nicht verheilt.« Als Nächstes zog er den Oberarmknochen von Skelett Nummer zwei hervor. Der sah normal aus, genau wie an dem Tag, als er und Harrigan ihn aus der Erde geholt hatten.
Erneut griff er in die Tüte und hielt seinen Fund hoch. »Skelett Nummer eins, der Ellenknochen. Und der Mittelhandknochen.«
»Warum hat Harrigan die wohl aufbewahrt?«
»Das müssen wir rausfinden.«
»Ist sonst noch was drin?«
»Noch mehr Knochen.« Er packte alles in eine saubere Metallkassette und rieb sich die Augen. »Unten hab ich einen Safe. Da werde ich sie über Nacht einschließen.«
Manny spürte einen Hauch von Enttäuschung. Was hatte ich mir denn erhofft?
»Wir sollten morgen früh weitermachen«, sagte Jake. »Ich kann mir einen Tag freinehmen. Haben Sie Zeit, mir zu helfen?«
Zeit? Ich? Nein. »Versuchen Sie mal, mich dran zu hindern.«
»Gut. Ich werde Sam von heute Abend erzählen und ihn bitten dazuzukommen. Sie können die anderen Sachen aus Petes Haus durchsehen, während ich die Haare und Knochenproben zu einem Privatlabor bringe, das meinem Freund Hans Galt gehört. Außerdem muss ich Röntgenaufnahmen machen. Pete hat mir seine nicht mehr geben können. Und ich muss einen Zahnarzt wegen der Kinnlade befragen.«
Das heißt, während ich mit Sam arbeite, ist er unterwegs. So läuft das nun mal bei uns Detektiven.
»Wie und warum konnte der Tod von vier Patienten einer psychiatrischen Klinik über vierzig Jahre lang geheim gehalten werden?«, fragte Manny. »Irgendwer hätte doch mal was ausplaudern müssen,
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