Skalpell Nr. 5
Klinik in Turner hindeutete. Dann klingelte Jakes Handy. Manny bekam das Gespräch nicht vollständig mit, aber Jake wirkte erfreut. Er stand auf. »Lucas Melody sagt, ich könnte heute noch in mein Haus. Um fünf kommt ein Maurer und repariert die Wand. Es ist dann zwar noch nicht wieder bewohnbar, aber ich kann mir wenigstens ein paar frische Sachen holen. Was hältst du davon, wenn ich dich anschließend zum Abendessen abhole, so gegen halb acht?«
Sie lächelte, um eine kleine Angstattacke zu überspielen. Dann bin ich zwischendurch allein, durchfuhr es sie. Von jetzt an wird mir jeder, an dem ich vorbeikomme, jeder, mit dem ich rede, irgendwie bedrohlich erscheinen. »Treffen wir uns lieber bei dir. Du musst bestimmt zu Hause einiges in Ordnung bringen. Wir können dann irgendwo bei dir in der Nähe was essen und hinterher wieder zu mir fahren.«
»Einverstanden«, sagte Jake.
Es sieht aus, als wäre nie etwas passiert, dachte Manny, als sie die Stufen zu Jakes Stadthaus hinaufging. Das Loch war zugemauert worden, die beschädigten Autos entfernt, der Rauch war verflogen, die Straße still und ruhig.
Jake öffnete die Tür, noch ehe sie klingeln konnte. »Hast du schon nach mir Ausschau gehalten?«, fragte sie.
»Ehrlich gesagt, ich hab nach jemandem Ausschau gehalten, der möglicherweise nach dir Ausschau hält. Melody hat das Haus wieder freigegeben und die Wachen abgezogen. Es ist jetzt ungeschützt.«
Sie musste den Impuls niederkämpfen, auf dem Absatz kehrtzumachen und Reißaus zu nehmen. »Dann lass uns gleich gehen. Nach dem Essen wollten wir ja sowieso zu mir. Bei mir im Haus gibt’s einen Portier. Dort sind wir sicher.«
»Ich brauche noch eine halbe Stunde.«
»Wieso? Hast du denn keine Angst?«
»Unten im Keller passiert uns schon nichts.«
»Im Keller?«
»Als ich heute bei Sam war – dem geht’s übrigens schon wieder gut, und er wird in ein oder zwei Tagen entlassen –, hat er mir erzählt, dass er den Sheriff ein bisschen hat draußen warten lassen, ehe er ihm die Sachen aus Harrigans Cottage übergeben hat. Während er mit mir telefonierte, ist ihm nämlich ein Karton aufgefallen, auf den Pete meinen Namen geschrieben hatte. Also hat Sam sich gedacht, dass da Sachen drin sein müssten, die Pete für mich gedacht hat – Erinnerungen an unsere gemeinsamen Arbeitsjahre. Deshalb hat er den Karton neben den Safe gestellt, unter die Obduktionsschürzen. Den will ich noch rasch durchsehen, bevor wir gehen.«
Manchmal kann er einem den letzten Nerv rauben. Wir schweben in Lebensgefahr, und er will sich Souvenirs ansehen? »Hat das nicht Zeit?«
»Vielleicht sind es ja nicht bloß Souvenirs. Es könnte was drin sein, was für uns hilfreich wäre, irgendein Hinweis darauf, was Pete mir vor seinem Tod noch sagen wollte.«
»Dann lass uns den Karton doch mitnehmen.«
»Zu gefährlich. Falls wir beobachtet werden. Außerdem willst du doch wohl keine Proben in Formaldehyd mit in ein Restaurant nehmen, oder?«
Stur, aber süß, dachte sie. »Okay, bringen wir’s hinter uns.«
Das Licht im Keller war grell, und Manny musste an den Obduktionsraum im Baxter Community Hospital denken. Jake zog Handschuhe an, öffnete den Karton und hob einen undurchsichtigen Plastikbehälter heraus. Manny beugte sich vor, um das Etikett zu lesen:
Probe 2005, Adam Gardiner. ALKOHOLISMUS , TUBERKULOSE. HIV/AIDS. Haut vom vorderen rechten Oberschenkel. Männlich, Alter 41. Datum der Obduktion: 29.1.2005.
»Eigenartig«, sagte Jake. »Das ist der Name eines Mannes, der vor Jahrzehnten gestorben ist, ein Fall, über den Pete und ich noch gesprochen haben, als ich ihn das letzte Mal sah.« Er schraubte den Deckel ab.
Manny machte einen Satz zurück. »Was ist das für ein Geruch? Und was sind das für kleine Würmer, die da in der Suppe schwimmen?«
Er schaltete wieder auf Professormodus. »Der Geruch ist natürlich Formaldehyd, und die Würmer sind Maden. Die meisten Menschen finden sie widerlich, aber Gott muss sie wohl mögen, sonst hätte er wohl nicht so viele geschaffen. Forensische Pathologen sind ganz vernarrt in sie, weil sie uns viel über den Verstorbenen verraten: was er gegessen hat, Zeitpunkt des Todes, welche Drogen er genommen hat, sogar seine DNS. Es ist ganz einfach – man kann sie im Küchenmixer zerkleinern und dann alle notwendigen Labortests mit ihnen durchführen.«
»Das ist ja ekelhaft.« Die Hände, die mich letzte Nacht berührt haben, haben Maden verquirlt? Ich darf gar
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