Skandal um Lady Amelie
etwas an dem beunruhigenden Ergebnis. Hinter ihr lagen unerfüllte Jahre voller Sehnen und Neid, während derer ihr ein solches Anzeichen mehr als willkommen gewesen wäre. Dass sie nun guter Hoffnung war, erschien ihr wie ein Wunder. Trotzdem schwankten ihre Gefühle – ausgerechnet dem Mann, dem ihr ganzes Sehnen galt, sollte sie ein Kind schenken. Aber er vertraute ihr nicht, und sie konnte nicht auf seine Zuneigung bauen.
Was sollte sie nur tun? Natürlich konnte sie in Bath bleiben und hier im kommenden Sommer niederkommen. Zurück in Richmond, könnte sie vorgeben, dass das Baby ein Pflegekind war, eines der von ihr vor dem Armenhaus geretteten, was niemanden überraschen würde. Aber in Richmond zu wohnen, wenn der Vater des Kindes ebenfalls dort lebte, erschien ihr nachgerade unmöglich. Sie würde sich einen anderen Wohnsitz suchen müssen. Wie auch immer, für Caterina wäre sie kein gutes Beispiel. Stephen Chester würde seine Tochter bestimmt nach Buxton zurückholen, dachte Amelie, und mir die Freundschaft kündigen. Fragen über Fragen taten sich auf und kreisten in ihrem Kopf, ohne dass sie auch nur eine einzige Antwort fand.
Die Poststationen waren gestern schrecklich überfüllt gewesen, denn die Saison hatte gerade begonnen. Trotzdem war Caterina überzeugt, in Bath nur Witwen, Kranke und ältliche, auf eine letzte Heiratschance hoffende Mauerblümchen zu finden, obwohl sie sich so nach gleichaltrigen Freunden sehnte.
Diese Bedenken hegte sie immer noch, als sie mit Amelie am nächsten Morgen den Hügel hinab zwischen wahren Menschentrauben hindurch zur Hauptstraße spazierte, doch nachdem mehrere Passanten ihnen im Vorbeigehen Grüße entboten hatten und ihre Tante erklärte, es seien entfernte Bekannte, beruhigte sie sich ein wenig. Auch die Auslagen der Geschäfte in der Milsom Street erregten ihr Entzücken, und als dann auch noch der eine oder andere junge Dandy kühn die Blicke auf die beiden Damen heftete, war sie schließlich vollends zufrieden.
In der Trinkhalle des Kurhauses wimmelte es selbst am frühen Vormittag schon von Besuchern, und beim Eintreten schallte Amelie und Caterina eine wahre Lärmwoge entgegen.
Es war, als wäre Amelie nie fort gewesen; innerhalb kürzester Zeit fanden sich mehrere ihr bekannte Familien ein, denen sie sofort Caterina vorstellte. Die junge Dame knickste und lächelte höflich und nahm erfreut die Bewunderung hin, die ihrem Aussehen galt. Dank Millie hatte ihre Garderobe ein entschieden modisches Flair erlangt, und mit dem Beispiel ihrer Tante vor Augen hatte sie das peinliche Schulmädchenkichern abgelegt, und ihr gesamtes Gebaren war erwachsener geworden. Das hinderte sie nicht, aus reiner Gewohnheit nach der eleganten Gestalt Lord Setons Ausschau zu halten, so als ob ihr Wunsch ihn herzaubern könnte. Doch kein Mann in der überfüllten Trinkhalle hätte es mit ihm aufnehmen können.
Amelie führte sie zu einer Nische, in der das Gästebuch auslag. Sie trugen sich ein und blätterten dann ein paar Seiten zurück, um zu sehen, ob sie die Namen weiterer, schon vor ihnen eingetroffener Freunde fänden.
„Himmel!“, rief Amelie plötzlich. „Das kann doch nicht sein!“
„Was denn, Tante?“
„Sieh nur! Dorna!“ Sie glättete die Seite und zeigte mit dem Finger auf die Zeile.
Caterina beugte sich vor und las: „Lady Adorna Elwick und Familie, Mr. Tamworth Elwick, Miss Hannah Elwick-Sydney. Oh Gott! Wann sind sie eingetroffen?“
„Gestern, genau wie wir“, antwortete Amelie gedämpft. Caterina sollte den verärgerten Unterton nicht mitbekommen. „Ach, was soll’s! Du musst ihm nicht begegnen. Obwohl ich sagen muss …“ Den Rest des Satzes sprach sie nicht laut aus. Nämlich dass Lord Elyot nun denken würde, sie habe Caterina ihm zum Trotz nach Bath gebracht. Hätte Adorna mit dem jungen Springinsfeld nicht anderswo hinreisen können? Nun, Lord Elyots Meinung war nicht von Interesse!
„Aber ich möchte Tam treffen“, sagte Caterina. „Mit gleich drei Tugendwächtern droht mir wohl kaum Gefahr! Außerdem ist er bestimmt froh, hier eine Freundin zu treffen, glaube ich.“
Schon eine Stunde später standen sie in der Leihbibliothek Hannah von Angesicht zu Angesicht gegenüber, deren unverhülltes Entzücken sie überzeugte, dass sie am Sydney Place, wo die Familie residierte, willkommen sein würden.
„Dorna wird sich schrecklich freuen, euch zu sehen“, erklärte Hannah, „Chad konnte nicht mitkommen – Geschäfte, glaube ich
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