Skandal
vielleicht sogar mit einem Hund. Hatten Sie damals einen Hund, Sir?«
»Ich glaube ja.«
Emily nickte. »Das dachte ich mir. Ich komme selbst häufig hierher. Erinnern Sie sich noch an mein Gedicht mit dem Titel Verse an einem Sommertag am Teich ?«
»Ganz deutlich sogar.«
»Ich habe sie geschrieben, als ich an diesem kleinen Teich gesessen habe, der vor uns liegt«, sagte sie stolz zu ihm. »Vielleicht erinnern Sie sich noch an ein oder zwei Verse?«
Simon warf nur einen Blick auf den hoffnungsvollen Ausdruck, der in ihren grünen Augen stand, und er strengte sich verzweifelt an, sich an ein paar Worte aus dem reizenden, aber ansonsten belanglosen Gedicht zu erinnern, das man getrost hätte vergessen können. In einem ihrer letzten Briefe hatte sie es ihm sorgsam notiert. Er war gründlich erleichtert, als ihm sein ausgezeichnetes Gedächtnis zu Hilfe kam. Er versuchte sich auf gut Glück an den beiden ersten Versen.
»Sieh jenen Teich, wo Sonnentropfen funkeln und schillern. Er birgt solch wunderbare Schätze für mich, daß ich damit zufrieden bin, hier zu sitzen und zu träumen .«
»Sie haben es sich gemerkt.« Emily schien so begeistert zu sein, als hätte er ihr gerade ein Vermögen an Edelsteinen geschenkt. Dann errötete sie und fügte in einem vertraulichen Tonfall hinzu: »Mir ist inzwischen klar, daß ich es stellenweise noch einmal überarbeiten sollte. Mir gefällt nicht, daß es sich nicht recht reimen will. Meinen Sie nicht auch, daß ich noch einmal daran feilen sollte?«
»Nun«, sagte Simon, »das ist schwer zu sagen.«
»Nicht, daß das im Moment von großer Bedeutung wäre«, sagte sie fröhlich zu ihm. »Ich arbeite gerade an einem großen Projekt, und es wird eine Weile dauern, ehe ich mich wieder an Verse an einem Sommertag am Teich machen werde.«
»Ein großes Projekt?« Irgendwie entfernte sich das Gespräch allmählich immer mehr von ihm, nahm Simon wahr.
»Ja. Ich nenne es Die geheimnisvolle Dame. Es wird ein langes episches Gedicht über Abenteuer und die finsteren Leidenschaften im Stil Byrons werden.« Sie warf ihm einen scheuen Blick zu. »Sie sind der einzige außer den Damen vom Literarischen Zirkel, dem ich bisher davon erzählt habe, Mylord.«
»Ich fühle mich geehrt«, sagte Simon gedehnt. »Abenteuer und finstere Leidenschaften, so?«
»Oh, ja. Es dreht sich alles um eine junge Frau, deren Haar die Farbe eines lodernden Sonnenuntergangs hat und die sich auf die Suche nach dem Geliebten macht, der verschwunden ist. Die beiden hätten heiraten sollen, verstehen Sie. Aber ihre Familie hat ihn nicht gutgeheißen und den beiden verboten, einander zu sehen. Er war gezwungen fortzugehen. Aber ehe er gegangen ist, hat er ihr einen Ring gegeben und ihr versichert, er käme zurück, um sie in die Ferne zu entführen und sie gegen den Willen ihrer Familie zu heiraten.«
»Aber der Plan ist schiefgegangen?«
»Ja. Er ist nicht zurückgekehrt, und die Heldin weiß, daß er in Schwierigkeiten steckt und sie dringend braucht.«
»Woher weiß sie das?« erkundigte sich Simon.
»Sie und der Held sind einander so nah, durch ihre reine und hehre Glut füreinander derart vereint, daß sie imstande sind, auf einer höheren Ebene miteinander zu kommunizieren. Sie weiß ganz einfach, daß er in Schwierigkeiten steckt. Sie bricht auf und verläßt Heim und Herd, um sich auf die Suche nach ihm zu machen.«
»Ein reichlich riskantes Vorgehen. Vielleicht hat er die Mißbilligung ihrer Eltern nur als einen Vorwand dafür genutzt, sie im Stich zu lassen. Vielleicht hatte er sie satt, und von ihrer Familie verstoßen zu werden, war für ihn eine elegante Möglichkeit, sich den Peinlichkeiten eines Techtelmechtels zu entziehen, das er gar nicht wollte.« Sobald er die Worte ausgesprochen hatte, hätte Simon sich am liebsten selbst einen Tritt verpaßt. Der Ausdruck des Entsetzens auf Emilys Gesicht genügte, um das kleine bißchen, das er noch an Gewissen besaß, zu rühren.
»Oh, nein«, hauchte Emily. »So war es ganz und gar nicht.«
»Natürlich nicht«, sagte Simon und zwang sich zu einem grimmigen Lächeln. »Ich wollte Sie lediglich necken. Sie müssen mir verzeihen. Wie könnte ich die Geschichte kennen, die hinter Ihrem Gedicht steckt? Sie sind doch diejenige, die es schreibt.«
»Exakt. Und ich verspreche Ihnen, daß es ein gutes Ende nehmen wird.«
»Sagen Sie mir eins, Miss Faringdon. Wenn Ihnen heute jemand zehntausend Pfund gäbe, was würden Sie damit anfangen?«
Wie
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