Skandalöse Küsse - Scandal Becomes Her
Anslowe-Kutsche gestiegen war und sich anschickte, die Stufen zur Eingangstür hochzugehen. Er blieb kurz stehen, starrte der entschwindenden Kutsche nach, und die Ereignisse der vergangenen Nacht, die alles in Gang gesetzt hatten, kamen wie in einer Welle zurück. Seine Stiefmutter wartete drinnen sicher verzweifelt auf Nachricht von ihrer Tochter. Er schnitt eine Grimasse. Bedauerlicherweise hatte er ihr nichts über Elizabeth zu berichten. Und er ging davon aus, dass die Neuigkeit seiner bevorstehenden Eheschließung nicht mit Begeisterung aufgenommen werden würde. Ganz im Gegenteil. Lady Wyndham wünschte sich zwar sehnlichst, dass er heiratete, aber es war klar, dass sie schon die richtige Braut für ihn ausgesucht hatte - eine Braut, die fügsam wäre und sich ihrer Stiefschwiegermutter in allem unterordnen würde. Irgendwie bezweifelte Julian, dass Miss Anslowe die Billigung seiner Stiefmutter finden würde. Er musste grinsen. Nein, gewiss nicht. Miss Anslowes intelligente Augen und ihre scharfe Zunge deuteten eindeutig darauf hin, dass sie weder lammfromm noch nachgiebig wäre und sich daher von seiner Stiefmutter bestimmt auch nicht willig manipulieren ließe - oder sonst jemandem. Er schüttelte den Kopf. Das Leben in seinem Heim würde in den nächsten Wochen gewiss nicht langweilig werden. Unsicher, ob er lachen oder fluchen sollte, stieg er die Stufen empor und betrat das Haus.
Eigentlich hatte er damit gerechnet, von einer händeringenden Lady Wyndham empfangen zu werden, aber zu seinem Erstaunen war die erste Person, die kam, um ihn zu begrüßen,
Elizabeth. Die schwere Eingangstür war kaum hinter ihm ins Schloss gefallen, als seine Stiefschwester mit besorgt aufgerissenen Augen und wehenden Röcken auf ihn zulief.
Erleichterung zeigte sich auf ihren Zügen, als sie ihn in die Arme schloss. »Oh, Julian!«, rief sie atemlos und umarmte ihn mit zerknirschter Miene. »Es tut mir ja so, so leid, dass Mutter dich auf eine so vollkommen sinnlose Mission geschickt hat! Als ich gestern Abend von den Ranelagh Gardens heimkehrte …« Ein Blick in sein Gesicht und sie brach ab. Sie lächelte zerknirscht und erklärte: »Ja, da war ich gestern statt auf dem Ball der Ellingsons. Captain Carver hat mich nach Ranelagh begleitet, nicht nach Gretna Green! Selbst ohne aufziehendes Unwetter wusste ich, dass es später werden könnte und Mama nicht erfreut wäre, weder von der späten Stunde, noch dem Ziel des Abends - auch wenn die liebe Millie die ganze Zeit über bei uns war, und daher habe ich einen Brief dagelassen, damit sie sich keine Sorgen macht.« Sie seufzte. »Nie hätte ich mir träumen lassen, dass sie annehmen würde, ich sei so dumm, mit Captain Carver durchzubrennen, oder dass du dich von ihr dazu drängen lassen würdest, mir nachzusetzen.« Mit ein paar reizenden Grübchen in den Wangen fuhr sie fort: »Es schmeichelt mir, dass du es getan hast, und ich danke dir sehr für deine Freundlichkeit.« Ihre Augen sprühten Funken. »Du hättest es aber besser wissen müssen - schließlich hast du selbst mir oft genug gesagt, ich sei zu teuer im Unterhalt für einen bloßen Captain.« Sie bemühte sich, beschämt auszusehen, scheiterte aber kläglich.
Julian brach in Gelächter aus. »Göre! Deinetwegen habe ich eine höchst unangenehme Nacht verbracht, aber es freut mich zu erfahren, dass ich dich dennoch richtig eingeschätzt habe.«
Sie lächelte, nahm seinen Arm und zog ihn zu dem vorderen Salon. »Ich kann mir vorstellen, dass du dich nach einem Bad und deinem Bett sehnst, aber komm doch bitte erst herein und sag Mama, dass alles in Ordnung ist. Sie hat schreckliche Angst, dass du wütend wirst, wenn du dahinter kommst, dass dein Akt der Ritterlichkeit völlig umsonst war.« Zu ihm aufschauend fragte sie: »War es schlimm mit dem Unwetter? Bist du sehr böse auf Mama?«
Das war er nicht - und das erstaunte Julian am meisten von allem. Er hätte angenommen, dass seine Reaktion auf die Entdeckung, dass es in Wahrheit keinen Grund für seine Reise durch das Gewitter gegeben hatte - eine Reise, die zu seiner Verlobung mit einer jungen Dame geführt hatte, die ihn offenkundig nicht leiden konnte -, aus Wut bestanden hätte. Er entdeckte stattdessen, dass er Lady Wyndham gar nicht böse war, sondern eher das Gefühl hatte, ihr dankbar sein zu müssen. Und wieder überlegte er, ob er verrückt geworden war.
Elizabeths Hand tätschelnd, die auf seinem Arm lag, antwortete er: »Nein, ich bin deiner
Weitere Kostenlose Bücher