Skin Game 02 - Verhängnisvoller Verrat
Prozesses lief von selbst ab, allein durch ihre Berührung.
Gillie fühlte, wie die Krankheit in sie strömte. Sie fragte sich immer, ob sie durch den Infusionsschlauch in ihren Körper transportiert wurde oder durch die Haut eindrang. Der Schmerz war echt. Sie spürte die Leiden des Patienten am eigenen Leib, das Gefühl erinnerte sie an manchen Sterbenskranken in ihrer Kindheit. Sie wollte nicht an ihre morschen Knochen und ihre kraftlosen Glieder denken, wenn sie nicht einmal einen Löffel halten konnte.
Es war, als würde der Tod in ihren Adern flüstern. Sie kannte ihn gut. Er brachte traurige Musik mit sich und leises Flügelschlagen. Der Krebs schien in ihrem Blut regelrecht zu toben und sich gegen seine Vernichtung zu wehren. Sie wünschte, sie könnte die Zellen unmittelbar in den Patienten heilen, aber so angenehm war ihre Gabe nicht. Gillie fühlte sich wie ein Magnet, der alles Kranke und Faulige anzog. Sie hatte sich das nicht ausgesucht. Die Ärzte waren rein zufällig auf ihre Fähigkeit gestoßen, als sie sich von einer besonders bösartigen Form der Leukämie erholt hatte.
Ihre Eltern waren so froh gewesen, sie wiederzuhaben, endlich ein normales Kind, das vollkommen gesund war. Darum hatten sie nur widerstrebend zugelassen, dass die Stiftung Tests mit ihr machte. Bald waren sie misstrauisch geworden und weggezogen, so viele Male, dass Gillie schließlich aufgehört hatte zu zählen. Mit zwölf war sie dann auf dem Heimweg von der Schule entführt worden.
Ihre Gabe sei zu kostbar, um sie ungenutzt zu lassen, hatte es geheißen. Sie sei ein Schatz der Natur wie Erdöl oder Diamanten. Anfangs hatten ihre Entführer noch versucht, ihr einzureden, dass sie doch bestimmt helfen wolle. Doch ihr einziger Wunsch war es gewesen, wieder nach Hause zu dürfen. Vor Jahren hatte Rowan ihr erzählt, ihre Eltern seien verstorben, draußen gebe es also niemanden, zu dem sie hinkönne. Sie wusste nicht, ob sie ihm glauben sollte.
Jetzt begann das Schlimmste. Ihr Blut würde die Krankheit herausfiltern, während sie selbst mit dem Tode rang und die Qualen eines anderen ertrug. Das dauerte Stunden. Zeit voller Schmerzen, die sie nicht verdient hatte. Aber die reichen Patienten zahlten der Stiftung beträchtliche Summen für Gillies Dienste. Es hieß, sie könne jede Krankheit heilen.
Damit ihre Nieren durch den Vorgang nicht überlastet wurden, bekam sie eine Dialyse. Auch ohne die Augen zu öffnen, wusste sie, was Rowan jetzt tat. Er bereitete das Gerät vor. Es musste einsatzbereit sein, sobald sie den Krebs des alten Manns in sich hatte. Sie wusste auch, dass er sie beobachtete, während sie litt. Bestimmt bildete er sich ein, das würde eine besondere Verbindung zwischen ihnen schaffen. Stattdessen steigerte es nur ihren Hass auf ihn.
»In knapp zwei Tagen fühlst du dich wieder pudelwohl«, flüsterte er und strich ihr das schweißnasse Haar aus der Stirn.
Das hasste Gillie am meisten. Doch dann überwältigten sie die Schmerzen, wie jedes Mal.
10
»Mia, sind Sie mit diesen Berichten fertig?«
Sie presste die Zähne zusammen. »Noch nicht.«
Greg Evans grinste höhnisch. »Die brauche ich, bevor Sie Feierband machen. Denken Sie dran.«
Kein Wunder, dass sie sich nie um eine normale Stelle beworben hatte. Wie sich gerade herausstellte, hatte sie erhebliche Probleme mit Autoritäten.
Es war eine Woche her, seit sie den Verstand verloren und sich auf eine Nacht mit einem Mann eingelassen hatte, von dem sie nicht einmal seinen richtigen Namen wusste. Sie erwartete jedes Mal Reue zu empfinden, wenn sie daran dachte, doch stattdessen bedauerte sie, mit ihm nur diesen kurzen Waffenstillstand vereinbart zu haben. Sie wollte ihn, trotz seiner dunklen Geheimnisse.
Immerhin war dabei herausgekommen, dass sie ihren Verstand unter den richtigen Bedingungen ausschalten konnte. Das ließ hoffen. Wie sie jetzt wusste, hatte Mark sich geirrt: Sie konnte sehr wohl spontan sein.
Aber sie musste einen Auftrag erledigen. Zuerst legte sie Gregs blöde Berichte an. Der Mistkerl würde sie sowieso nur schreddern, doch sie durfte ihre Tarnung nicht gefährden, indem sie ihm sagte, er solle sich zum Teufel scheren. Ihr Kunde zahlte auch für ihre Diskretion.
Vier Namen standen noch auf ihrer Liste der möglichen Betrüger. Leider hatte der Täter keine Spur im Computersystem des Unternehmens hinterlassen. Das hieß, dass er sehr gut war. Mia würde ihre Sache noch besser machen müssen. Sie sah sich die Lebensläufe an.
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