Skin Game: Gefährliche Berührung (German Edition)
steckte den Schlüssel ins Zündschloss und fuhr los, dem hellen Streifen am Horizont entgegen.
»Wohin fahren wir?«
So viel konnte sie ihm verraten. »Weißt du, wie man von hier zur I-76 kommt?«
»Ja.«
»Dann los. Wir haben nicht viel geschlafen. Darum werden wir heute nicht weit fahren. In Alliance in Nebraska möchte ich Halt machen und mich ein bisschen hinlegen. Von da geht es weiter nach Sioux Falls und dann nach Fargo.«
»Das ist also das Ziel der Reise.«
»Jep.« Warum, verriet sie nicht. »Wir sollten von jetzt an im selben Zimmer übernachten. Es gibt auch welche mit zwei Einzelbetten, wenn dir das lieber ist. Aber ich würde mich sicherer fühlen, wenn wir nah beieinander wären.«
»Das ist wahr«, stimmte er zu. »Aber eine Frage … Bist du noch ganz richtig im Kopf?« Im Gegensatz zu der harten Ausdrucksweise war sein Ton ruhig und freundlich.
Sie sah ihn überrascht an. »Was?«
»Du hast mich länger hingehalten, als ich es irgendeiner anderen Frau zugestehen würde, und jetzt fragst du mich , ob ich lieber in getrennten Betten schlafen würde? Nein. Ich will dich unter mir haben. Ich will beim Aufwachen deinen Duft an mir riechen. Ist das deutlich genug?«
»Es kann nicht normal sein, wie du denkst. Du hast mich gerade erbrechen sehen.« Unglaublich, dass sie das gerade gesagt hatte. Warum überhaupt darüber reden? Lass es ihn vergessen, verdammt noch mal.
»Normal ist keine Kategorie für uns beide, oder? Versuch, ein bisschen zu schlafen.«
Kyra knüllte sich ein Sweatshirt von ihm zu einem Kissen zusammen und schlief nach drei Minuten ein. Reyes konnte den Schildern nach Nebraska folgen, kein Problem. Aber würde er Kyra töten können? Zum ersten Mal, seit er in der Branche arbeitete, fiel es ihm schwer, einen Auftrag zu Ende zu bringen. Aber er war sicher, dass Foster Lügen über sie erzählt hatte. Sie hatte weder skrupellose noch verdorbene Züge an sich. Klar, sie konnte boshaft sein, aber Grausamkeit war ein ganz anderer Trieb.
Sie hatte mit Sicherheit auch das Geld nicht gestohlen. Kyra war eine Trickbetrügerin, keine Diebin, und sie benutzte ihre Gabe, um gut zu spielen. Jede Wette, dass sie das Geld gewonnen hatte, vielleicht nicht auf ehrliche Weise, aber es gehörte ihr. Er wusste nicht, warum Serrano unbedingt ihren Tod wollte. So reich, wie der Mann war, konnte er den Verlust von ein paar Millionen locker verschmerzen. Die würde er in einer Woche wieder reinholen.
Es musste also einen anderen Grund geben. Reyes wurmte es, dass Kyra sich ihm nicht anvertraute, obwohl er so verständnisvoll gewesen war. Er hatte zunächst »Blödsinn« rufen wollen, sich das aber verkniffen und sie ausreden lassen. Wie er einräumen musste, passte ihre irre Geschichte zu den Fakten. Das Problem war nur, dass er noch immer nicht genug wusste.
Zum Beispiel hatte er keinen blassen Schimmer, warum sie in Alliance Halt machen würden. Der Ort war ihm noch nie zu Ohren gekommen und wahrscheinlich nicht einmal groß genug, um dort eine Nummer abzuziehen. In Denver hatten sie auch kein Geld eingenommen. Oberflächlich betrachtet, war ihm von Kyra eine Menge anvertraut worden, bei näherer Betrachtung aber nur gerade so viel, dass er keine Fragen mehr stellen konnte.
Frustrierend.
Reyes fuhr vor sich hin. Ab und zu ließ er den Blick zu der schlummernden Frau auf dem Beifahrersitz schweifen. Im Schlaf, ohne ihre selbstbewusste Ausstrahlung, wirkte sie kleiner. Ihm dämmerte, welche Last sie trug … und ihre Schultern sahen geradezu zerbrechlich aus. Selbst die Sommersprossen ließen sie jünger und verletzlich erscheinen.
Solche Gedanken über sie hätten sie wütend gemacht, darum schaute er wieder auf die Straße. Allmählich wurde es ringsherum grüner. Je näher sie Nebraska kamen, desto mehr Äcker sah man. Als sie die Staatengrenze überquerten, las Reyes ironisch grinsend das Begrüßungsschild: »Willkommen in Nebraska, wo das Leben gut ist.« Er konnte sich nicht erinnern, einmal dort gewesen zu sein – vermutlich aus gutem Grund.
Am späten Vormittag wurde Kyra wach.
»Sind wir bald da?«, fragte sie verschlafen.
Reyes fuhr schon seit vier Stunden und inzwischen war Alliance auf mehreren Schildern angekündigt worden. Seine Beine schrien förmlich nach einer Pause, desgleichen seine Schultern. Er hätte nichts gegen einen Boxenstopp einzuwenden gehabt, aber es war tatsächlich nicht mehr weit und er fuhr nicht gern vom Highway ab, es sei denn, es blieb ihm nichts
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