Sklavin des Höhlenmenschen
Noch war die Dunkelheit nicht völlig hereingebrochen, und im letzten Schein des Tages sah er tatsächlich eine Möglichkeit, den Felsen zu erklimmen. Er nahm sein Steinmesser zwischen die Zähne, krallte seine Finger und seine Zehen in kleinste Steinritzen. Er kam langsam, aber stetig höher, und dann hatte er die flache Oberseite des Felsens erreicht. Er kletterte hinauf und sah sich Aug in Aug mit einem Mann.
Der andere starrte ihn nicht weniger fassungslos an, aber da hatte sich Gandar schon völlig hinaufgeschwungen, und seine Hände umfassten den Hals des anderen, bevor dieser den Mund aufmachen und die anderen warnen konnte. Der Mann trat, schlug nach ihm. Gandar biss nur die Zähne zusammen und gab nicht nach. Danach kam nur noch ein leises, kaum hörbares Röcheln, und sein Gegner sackte zusammen.
Gandar ließ ihn lautlos zu Boden gleiten, dann schlich er sich zum Rand des Felsens und blickte hinunter. Dort war der Eingang zur Höhle, und die Jäger saßen davor. Sie schwiegen jetzt, blickten vor sich hin. Gandar legte sich flach hin und stieß ein leises Zischen aus. Ein Mann sah hoch. Gandar ließ ein Fauchen folgen.
Nun sahen alle hoch. Einer der Männer sprang auf und packte seine Lanze fester. Gandar tastete nach einem größeren Stein und warf ihn in die andere Richtung. Man hörte ihn mehrmals aufschlagen. Zwei Männer verließen ihren Wachposten und gingen dem Geräusch nach. Gandar schlich geduckt zur anderen Seite des Felsens, legte die Hände um den Mund und ahmte abermals das Fauchen eines Raubtieres nach. Nun redeten die Männer durcheinander. Ein weiterer verließ den Höhleneingang.
Gandar sprang geduckt von einem Felsen zum anderen und warf abermals einen Stein. Dieses Mal in die entgegengesetzte Richtung. Die beiden verbleibenden Männer waren unschlüssig. Als Gandar aber einen nächsten Stein warf, dieses Mal schon näher, gingen beide los. Mit einem mächtigen Satz sprang Gandar vom Felsen. Er kam federnd auf, schnellte hoch und in die Höhle hinein. Beim Vorbeilaufen griff er nach einer Fackel, die weiter drinnen in einer Felsspalte steckte. Als das Licht von draußen nicht mehr gesehen werden konnte, blieb er stehen und sah sich um. Die Höhle war viel größer als die von Rama oder ähnliche, die Gandar während seiner Reise gesehen und erforscht hatte. Sie war so groß, dass es ihm vorkam, als wäre er in einer Welt unterhalb der Erde gelandet. Er ging weiter. Mehrere Gänge öffneten sich von jenem Gang, durch den er die Höhle betreten hatte. Die Enge, die Dunkelheit ließen ihn glauben, er lege den Weg, der ihn zu Siri geführt hatte, noch einmal zurück, dann begriff er, dass er im Kreis gelaufen war. Er blickte über sich. An den Höhlenwänden waren Tiere. Zuerst erschrak er, da sie im zuckenden Schein der Fackel aussahen, als würden sie sich bewegen, aber dann erkannte er, dass sie starr waren. Er trat zu einem gehörnten Tier, dessen mächtiger Schädel dicht behaart war, und ließ seine Finger über den Fels gleiten. Was er da sah, erinnerte ihn an Siris Zeichnungen im Sand am Seeufer. Sie hatte auch oft kleine Holzkohlestückchen genommen und auf flache Steine gezeichnet. Figuren, von denen sie behauptet hatte, sie wären Gandar. Tiere. Andere Menschen. Das Symbol für die strahlende Tagesgottheit. Er hatte sie dafür bewundert, sie dafür belächelt, aber nun war er stumm vor Staunen.
Dennoch vergaß er nicht, was ihn in diese Höhle geführt hatte. Manchmal blieb er stehen, lauschte, versuchte ein anderes Licht als das seiner Fackel auszumachen. Aber es herrschte völlige Stille. Nicht einmal mehr die Stimmen der Jäger, die wahrscheinlich schon längst ihren bewusstlosen oder toten Freund auf dem Felsen gefunden hatten, drangen herein. Aber dann, endlich, am Ende eines bedrückend engen Ganges war ein Lichtschein zu sehen. Gandar drängte sich hindurch, musste seitlich durchgehen, weil die Felsen so nahe aneinanderstanden, dass sie enger waren als seine Schultern.
Und am Ende dieses Ganges, beleuchtet vom Feuer, war sie – Siri.
Ihr Haar und ihre Haut schimmerten. Gandar blieb stehen. Er blinzelte, als sich ihr Körper im Licht der Flammen aus der Dunkelheit schälte. Sie war nackt, und er verschlang mit seinen Blicken ihren Leib, ihre Brüste, die voller waren als zuvor, ihren Bauch, ihre Hüften, die Beine, das Dreieck dazwischen. Er glaubte schon, ihren Geruch, ihren Geschmack dort wahrzunehmen. Süß und würzig – wie keine andere Frau duftete oder
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