Skulduggery Pleasant -1- Der Gentleman mit der Feuerhand
Schmuckschatulle auf der Kommode. Es war ein klobiges Teil, und jedes einzelne Fach quoll über mit billigen Klunkern. Die Brosche fand sie in einer Schublade ganz unten in der Schatulle, wo auch eine einzelne Kreole lag und eine Pinzette. Sie steckte sie in die Tasche, schloss die Schatulle und verließ das Zimmer. Dann betätigte sie die Toilettenspülung und lief die Treppe wieder hinunter.
„Danke“, rief sie noch einmal und strahlte ihre Verwandtschaft an. Beryl öffnete den Mund, um in der Unterhaltung fortzufahren, doch Stephanie war schon fast am Gartentor.
*
Stephanie saß auf einem der Felsbrocken am nördlichen Ende des Strandes und wartete auf Skulduggery. Die Wetterfrösche hatten ein Ende der Trockenheit vorhergesagt, doch der Morgenhimmel war blau und wolkenlos. Auf dem Felsen neben ihr lag eine Muschel, eine hübsche Muschel, eine, die sie hätte küssen können.
Denn sie bewegte sich. Die Luft war nicht verantwortlich für dieses kühle Kräuseln an ihrer Hand, doch die Muschel bewegte sich immer noch, und es hatte nichts mit dem Wind zu tun. Stephanies Herz schlug schneller, aber sie hielt ihre Freude noch zurück. Noch. Es konnte auch Zufall gewesen sein. Erst wenn sie es ein zweites Mal fertigbrachte, konnte sie sich freuen.
Sie konzentrierte sich ganz auf die Muschel. Sie hob die Hand, stellte sich den Raum zwischen Hand und Muschel als eine Reihe ineinandergreifender Kettenglieder vor, die darauf warteten, dass sie bewegt wurden. Sie spreizte langsam die Finger und spürte die Luft an ihrer Handfläche. Als etwas Festes. Sie drückte dagegen, und die Muschel schoss vom Felsen.
„Yes!“, rief sie und warf beide Arme in die Luft. Zauberei! Sie hatte gezaubert! Sie lachte vor Freude.
„Du siehst richtig glücklich aus.“
Stephanie drehte sich so abrupt um, dass sie fast von ihrem Felsen rutschte. Ihr Vater grinste, als er näher kam. Sie wurde rot, zog rasch ihr Handy aus der Tasche, ohne dass er es bemerkte, und hielt es dann hoch.
„Hab gerade eine gute SMS bekommen“, verkündete sie.
„Ah“, sagte er und setzte sich neben sie. „Etwas, das ich wissen sollte?“
„Nicht wirklich.“ Sie schaute sich so unauffällig wie möglich um und betete, dass nicht plötzlich der kanariengelbe Wagen auftauchte. „Warum bist du nicht bei der Arbeit?“
Ihr Vater zuckte die Schultern. „Ich habe eine wichtige Besprechung heute Nachmittag, habe aber heute Morgen etwas zu Hause vergessen. Da dachte ich, ich hole es schnell in der Mittagspause.“
„Was hast du denn vergessen? Die Pläne des Architekten oder etwas in der Richtung?“
Er nickte. „Etwas in der Richtung, ja. - Nein, eigentlich etwas ganz anderes. Ich habe meine Unterhose vergessen.“
Sie sah ihn an. „Was?“
„Als ich mich angezogen habe, war ich in Gedanken nicht bei der Sache. Das kommt vor. Normalerweise würde es mir nichts ausmachen, aber diese Hose juckt wie -“
„Dad, ich will es nicht wissen!“
„Oh, natürlich, entschuldige bitte. Jedenfalls habe ich dich hier runtergehen sehen und dachte, ich sag mal kurz Hallo. Als du kleiner warst, bist du oft hierhergekommen, hast da gesessen und hinausgeschaut aufs Wasser, und ich habe mich immer gefragt, was dir wohl durch den Kopf geht ...“
„Eine Menge schlauer Sachen“, erwiderte sie automatisch, und er lächelte.
„Deine Mutter macht sich Sorgen um dich“, sagte er nach einer Weile.
Sie schaute ihn erschrocken an. „Was? Warum?“
Er zuckte die Schultern. „Du ... du warst einfach nicht wie sonst in letzter Zeit.“
Dann hatten sie den Unterschied zwischen ihr und ihrem Spiegelbild also doch bemerkt.
„Mit mir ist alles in Ordnung, Dad, ehrlich. Ich hatte nur schlechte Laune.“
„Ja, doch, das verstehe ich, und deine Mutter hat mir auch erklärt, wie das so ist mit jungen Mädchen und ihren Launen ... Aber wir machen uns trotzdem Gedanken. Seit Gordons Tod ...“
Oha. Dann ging es also nicht nur um ihr Spiegelbild.
„Ich weiß, dass du ihn sehr gemocht hast“, fuhr er fort. „Und ich weiß, dass ihr euch gut verstanden habt, und ich weiß auch, dass du, als er starb, einen guten Freund verloren hast.“
„Genau so war es“, sagte sie leise.
„Wir wollen dich nicht vom Erwachsenwerden abhalten, selbst wenn wir es könnten. Du entwickelst dich zu einer tüchtigen jungen Frau, auf die wir sehr stolz sind.“
Sie lächelte verlegen, schaute ihn aber nicht an dabei. Gordons Tod hatte sie tatsächlich verändert, doch die
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