Sniper
präzise ist das nicht – im besten Fall deckt man seinen Gegner derart mit einem Geschosshagel ein, dass man schnell das Weite suchen kann.
Neben unseren vier dreisitzigen DPVs hatten wir zwei Fahrzeuge, die je sechs Personen fassten. Das war die gemäßigte Fassung – drei Reihen mit jeweils zwei Sitzen, und als einzige Waffe ein M-60 vorne auf dem Dach. Wir benutzten sie als Einsatzwagen, von denen aus Befehle erteilt und der Missionsablauf verfolgt wurde. Eine sehr langweilige Karre. In etwa so wie der Familienkombi, mit dem Mutter unterwegs ist, während Vater mit seinem Sportwagen die Gegend unsicher macht.
Das Training zog sich einige Wochen hin. Wir erkundeten die Gegend, errichteten Scharfschützennester und unternahmen Aufklärungsfahrten entlang der Grenze. Wir versteckten die Fahrzeuge, bedeckten sie mit Tarnnetzen und versuchten so, sie mitten in der Wüste verschwinden zu lassen. Bei einem DPV nicht eben einfach: Normalerweise sah das Ergebnis ziemlich dilettantisch aus. Wir übten auch das Absetzen von DPVs aus dem fliegenden Hubschrauber, aus denen wir herausfahren mussten, sobald sie den Boden berührten: ein Rodeo auf Rädern sozusagen.
Als sich der Januar dem Ende zuneigte, fingen wir langsam an, uns Sorgen zu machen – nicht, dass der Krieg ausbrechen könnte, sondern dass er ohne uns losging. Die übliche Dauer von SEAL-Einsätzen betrug damals sechs Monate. Wir waren im September aufgebrochen und sollten schon in wenigen Wochen wieder in die USA zurückkehren.
Ich wollte mich unbedingt im Kampf bewähren, das tun, wofür ich ausgebildet worden war. Die amerikanischen Steuerzahler hatten eine beträchtliche Menge Geld in meine Ausbildung als SEAL investiert. Und ich wollte nun unbedingt meinem Land dienen, meine Pflicht erfüllen und meine Arbeit erledigen.
Mehr als alles andere wollte ich jedoch den Nervenkitzel der Schlacht erleben.
Taya sah das allerdings ganz anders.
Taya:
In der Zeit, als die Situation sich zuspitzte und alle Zeichen auf Krieg standen, hatte ich große Angst. Obwohl der Krieg offiziell noch nicht begonnen hatte, wusste ich, dass sich die SEALs ständig in gefährlichen Situationen befanden. Bei ihnen besteht sogar im Training immer ein gewisses Risiko. Chris versuchte, das Risiko herunterzuspielen, damit ich mir keine Sorgen machte, aber ich war nicht so leichtgläubig und konnte zwischen den Zeilen lesen. Meine Angst äußerte sich auf unterschiedliche Weise. Ich war unruhig. Ich bildete mir Dinge ein, die gar nicht da waren. Ich konnte nur schlafen, wenn im Haus das Licht brannte; ich las jede Nacht so lange, bis mir die Augen von selbst zufielen. Ich tat alles, was in meiner Macht stand, um nicht alleine zu sein oder zu viel Zeit zum Nachdenken zu haben.
Zweimal rief Chris mich an und erzählte, dass er in Hubschrauberunfälle verwickelt gewesen war. Beide Unfälle waren verhältnismäßig harmlos, aber er machte sich Sorgen, dass die Medien darüber berichten würden, ich davon erfuhr und mir Sorgen machte.
»Ich wollte nur Bescheid sagen, für den Fall, dass du in den Nachrichten etwas davon hörst«, sagte er dann. »Es gab einen kleinen Unfall mit dem Hubschrauber, aber mir geht ’ s gut.«
Eines Tages musste er an einer weiteren Hubschrauberübung teilnehmen. Am nächsten Morgen verfolgte ich die Nachrichten, in denen darüber berichtet wurde, dass ein Hubschrauber nahe der Grenze abgestürzt war und alle Insassen umgekommen waren. Laut diesem Bericht handelte es sich dabei um Soldaten der Special Forces.
In den Streitkräften bezieht sich der Begriff »Special Forces« auf die gleichnamige Army-Einheit, aber die Medien unterscheiden oft nicht zwischen Special Forces und SEALs. Sofort ging meine Fantasie mit mir durch.
Ich hatte an jenem Tag nichts von Chris gehört, obwohl er versprochen hatte sich zu melden.
Ich redete mir immer wieder ein, einen kühlen Kopf zu bewahren. Er gehörte sicher nicht zu den Opfern.
Ich stürzte mich in die Arbeit. Gegen Abend, ich wartete immer noch vergebens auf einen Anruf, begann ich nervös zu werden, dann panisch. Ich konnte nicht schlafen, obwohl ich völlig erschöpft war von all der Arbeit und dem Bemühen, die Tränen zurückzuhalten, die ständig an die Oberfläche treten und jeden Anschein der Ruhe zerstören wollten, den ich zu wahren vorgab.
Gegen 1 Uhr nachts döste ich endlich ein.
Das Telefon klingelte. Ich schreckte hoch und griff zum Hörer.
»Hallo, Schatz!«, sagte er, gut gelaunt wie eh und
Weitere Kostenlose Bücher