Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
So bin ich eben - Erinnerungen einer Unbezaehmbaren

So bin ich eben - Erinnerungen einer Unbezaehmbaren

Titel: So bin ich eben - Erinnerungen einer Unbezaehmbaren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Juliette Gréco
Vom Netzwerk:
Angeblich sind die Amerikaner auf dem Vormarsch. Die Atmosphäre ist angespannt. Die Résistance gruppiert sich neu, ihr Netz funktioniert reibungslos. Eisenbahner, Postangestellte, ja selbst Polizisten streiken. Das Ende scheint nahe. Die Deutschen beginnen, sich zurückzuziehen.
    Dennoch gibt es täglich verheerende Nachrichten. Meine Mitbewohner aus der Pension verschweigen sie mir nicht. Die Deutschen foltern und exekutieren weiter. Sie machen immer noch Jagd auf Juden und Aufständische und töten sie.
    Im August werden in Vincennes sechsundzwanzig Widerstandskämpfer hingerichtet, im Bois de Boulogne fünfunddreißig.
    Blut fließt. Auf den Straßen ist es gefährlich.
    Dennoch, wir sehen Licht am Ende des Tunnels.
    Der 25. August wird für immer unvergessen bleiben.
    Menschenmassen versammeln sich auf den Straßen, um der zweiten Panzerdivision unter General Leclerc zuzujubeln, die in Paris über die Porte d’Orléans einfährt. Wir begrüßen unsere Soldaten mit Freudenschreien, wir sind stolz auf sie und zeigen ihnen, wie sehr wir sie lieben.
    Am selben Abend wird tatsächlich nicht mehr gekämpft. Die feindlichen Panzer haben die Stadt verlassen, die desaströsen Folgen von fünf Jahren Krieg sind ihre Hinterlassenschaft.
    Paris ist befreit.
    Wie viele Männer und Frauen haben all die Jahre Schmerzen erduldet? Wie viele haben mit ganzem Herzen ihre Kraft und ihr Leben für die Befreiung Frankreichs geopfert? Und wo sind die Gefangenen? Wann werden sie zurückkehren?
    Das Schweigen ist noch nicht gebrochen, das Schlimmste wissen wir noch nicht. Noch werden jeden Tag Männer und Frauen ermordet, noch sterben viele vor Erschöpfung. Das Töten in den Lagern geht weiter. Noch.
    Wie alle Mädchen klettere ich auf die Panzer zu unseren Soldaten. Ich umarme sie und bejuble ihren Mut und Patriotismus. Gemeinsam feiern wir Frankreich.
    Aber allzu oft wird aus der Euphorie der Massen Hysterie. Hass, Rachegelüste und blinder Zorn brechen aus. Man macht Jagd auf Frauen, man schert ihnen die Haare in der Öffentlichkeit und lässt sie von Passanten ausbuhen. Deutsche Kriegsgefangene werden beschimpft. Kollaborateure und Denunzianten packen eilig ihre Koffer. Ob sie ihrer Strafe entkommen oder gefasst werden, das endgültige Urteil über sie hat man bereits gefällt.
    Seit meiner Zeit im Gefängnis mache ich mir über die menschliche Natur keine Illusionen mehr. Doch diese Straßenszenen mit ihrer brutalen Gewalt und Grausamkeit haben meine Sicht auf den Menschen noch ein bisschen mehr eingetrübt.
    Engagiert
    Das ist die Zeit, in der ich der kommunistischen Jugend beitrete.
    Ich möchte mich unbedingt engagieren und für einen sozialen Neubeginn kämpfen. Das Ende der Okkupation – unser Sieg, er hat uns beflügelt. Er bietet eine große Möglichkeit – und die möchte ich nutzen.
    Meine Kameraden und ich richten in einem Laden eine Geschäftsstelle ein. Die alte Buchhandlung in der Rue Guénégaud ist requiriert worden; ihr Besitzer wurde wegen Kollaboration mit dem Feind festgenommen.
    In einer Aufräum- und Putzpause krame ich ein bisschen in den Bücherkisten, die sich in der hintersten Ecke des Ladens stapeln. Ich hole Buch für Buch heraus, lese ein paar Seiten und entdecke Wunderbares. André Gide verschlinge ich, ebenso die großen Dichter wie Paul Éluard und Louis Aragon, deren Bücher den Krieg heil überstanden haben. Ihre Lektüre trägt mich fort.
    Ich gebe mich voll und ganz dieser neuen Leidenschaft hin. Was für eine wunderbare Entdeckung, was für ein fantastisches Vergnügen; neue Welten tun sich auf.
    Unsere kleine Truppe trifft sich regelmäßig in der Geschäftsstelle. Wir verbringen herrliche Stunden hier. Dann schnappt sich ein jeder von uns ein Bündel Zeitungen, beschwingt verteilen wir uns auf die Straßen, auf der Suche nach Käufern.
    Marguerite Duras ist eine von uns, sie ist eine eingefleischte Kommunistin. Auf dem Weg in die Rue Saint-Benoît, in der sie wohnt, diskutieren wir regelmäßig. Wir mögen uns. Oft, wenn wir vor ihrem Haus angelangt sind, schlägt sie mir vor, nun mich zu begleiten. Wir lachen und setzen unser Gespräch bis zu meiner Pension in der Rue Servandoni fort.
    Ich schätze diese junge Frau und ihre Klugheit. Sie ist gebildet und versteht es, mich zu überzeugen. Ich werde nie müde, ihr zuzuhören.
    Wegen ihr zögere ich auch keine Sekunde, meiner Wut über einen Funktionär der kommunistischen Jugend Luft zu machen. Der Kerl fordert die von mir nicht gezahlten

Weitere Kostenlose Bücher