So nah bei dir und doch so fern
bis ich sagte: »Was meinst du, ist es bereits Zeit für einen Wein?«
»Und ich dachte schon, du würdest nie fragen«, antwortete Alison. Für sie war dies ein weiteres Zeichen, dass ich zu meinem alten Ich zurückfand. Zusammen machten wir uns auf den Weg zu unserem Zimmer, um zur Feier des Tages eine Flasche Calva zu köpfen.
Doch bevor wir in unserer Unterkunft ankamen, galt es mehrere Hindernisse in Form von Doppeltüren zu überwinden. Anita hatte zwar ein rollstuhlgerechtes Zimmer gebucht, aber es befand sich in einem anderen Flügel des Gebäudes als die Räume der anderen und um dorthin zu gelangen, mussten wir einen steilen Anstieg und zwei Doppeltüren bewältigen. Wir hatten großen Spaß, als Alison sich in einen Schlangenmenschen verwandeln musste, um den Rollstuhl am Zurückrollen zu hindern und gleichzeitig mit einem Fuß die Tür zu öffnen. Ich versuchte, so gut ich konnte, zu helfen, indem ich die Tür festhielt, doch es war äußerst schwierig und der Beweis, dass selbst angeblich rollstuhlgerechte Einrichtungen nicht immer einfach zu nutzen sind.
Als es für Alison Zeit wurde, zur Gesichtsmassage zu gehen, fragte sie Anita, ob sie mich nach meiner eigenen Massage abholen und in unser Zimmer bringen würde.
»Natürlich«, sagte Anita, die sich freute, wieder einmal ihre pflegerischen und mütterlichen Fähigkeiten einsetzen zu können. Nach meiner Massage war allerdings niemand da, um mich abzuholen. Ich wartete und wartete. Keine Anita weit und breit. Nach einer halben Stunde rief die Masseurin in unserem Zimmer an, und Alison nahm ab. Anita hatte offenbar völlig vergessen, dass sie mich abholen sollte, daher schob mich freundlicherweise die Masseurin zurück. Nachdem ich glücklich im Zimmer angekommen war, konnte Alison nicht widerstehen, Anita zu foppen, die mittlerweile mit den anderen Frauen an der Bar saß und Gin Tonic trank. Alison rief dort an und fragte Anita, ob ich bei ihr sei. Als Anita zögerte, legte Alison nach: »Ich hoffe, du hast sie nicht im Stich gelassen. Denn du weißt doch, wie sehr sie so was aufregt.«
Anita war bestürzt. Dann behauptete Alison, man habe mich gerade gebracht, und ich sei in Tränen aufgelöst.
»Hörst du, wie durcheinander sie ist?«, fragte sie.
Ich spielte mit und setzte meine beste Eselstimme für ein fingiertes Heulen ein. Anita war fix und fertig und fand völlig gegen ihre Gewohnheit keine Worte. Natürlich war es ein böser Streich, den Alison ihr da spielte, aber wir mussten das ganze Wochenende darüber lachen.
Der Rest des Kurzurlaubs gestaltete sich genauso spaßig. Für mich war es eine tolle Gelegenheit, wieder in normalen Kontakt mit all den Freundinnen zu kommen, die mir in meiner schweren Zeit zur Seite gestanden hatten. Sie hatten mit mir gelacht, als ich ein sabberndes Häufchen Elend war, und jetzt lachten wir immer noch zusammen, wie in alten Zeiten. Meine Behinderung war kein Thema, niemand behandelte mich anders, selbst wenn ich nicht mit ihnen mithalten konnte.
Die alte Kate wäre immer die Letzte gewesen, die zu Bett ging, doch an diesem Abend verließ ich als Erste die Bar und bat Alison, mich auf unser Zimmer zu bringen. Ich sagte ihr, sie solle zu den anderen Frauen zurückgehen, während ich mich ins Bett legen wollte. Ich war erschöpft und unheimlich glücklich.
Inspiriert durch unseren Wochenendausflug, organisierte ich noch viele weitere Treffen. Ich beteiligte mich auch wieder am Literaturkreis und tauchte in eine Welt aus Fiktion und Fantasy ein. Während der ganzen Zeit meines Aufenthalts im Krankenhaus hatte der Literaturkreis stark gelitten, besonders in den ersten Tagen, als es meinen Freundinnen schwergefallen war, sich auf die Flucht aus der Wirklichkeit zu konzentrieren, die das Lesen mit sich brachte. Außer wenn sie Erfahrungsberichte von anderen Menschen besprachen, die ihre Krankheit überwunden hatten, fehlte ihnen der Enthusiasmus, über irgendwelche Geschichten zu diskutieren.
Jetzt konnten wir wieder loslegen, und ich wählte einen Bericht aus dem wirklichen Leben: Deceived von Sarah Smith. Ich war gefangen von der Geschichte dieser jungen Studentin, die zehn Jahre lang von einem Hochstapler manipuliert wurde, der ihr vorgaukelte, er sei MI 5-Agent und sie auf der Flucht vor der IRA .
Mit Jaquis, Alisons und Anitas Hilfe organisierte ich am Wochenende nach meinem Wellness-Abenteuer eine Überraschungsparty zu Marks vierundvierzigstem Geburtstag. Acht Monate lang hatte sich alles um mich
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