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So nicht, Europa!

Titel: So nicht, Europa! Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jochen Bittner
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Europa,
     quasi der Schlauch, der das Gebiet der EU mit dem Gastropf des Kaspischen Meeres und Russlands verbindet.
    Das Schwarze Meer, so zeigte sich im Sommer 2008 einmal mehr, ist im strategischen Sinne kein Binnenmeer. Es hat militärische
     und vitale wirtschaftliche Bedeutung. Durch die Odessa-Brody-Pipeline pumpt Russland Öl nach Süden, von wo aus es Richtung
     Mittelmeer weiterverschifft wird. Amerikanische, europäische und türkische Ölkonzerne stehen Schlange, um Offshore-Plattformen
     im Schwarzmeer auszubauen. Die EU hat sich in ihrer Schwarzmeerpolitik indes bisher vor allem um Umweltschutz, kleinen Grenzverkehr
     und kulturellen Austausch gekümmert. Europa, bilanziert Grigorij Nemyria, unterschätze sträflich die Bedrohungen, die aus
     weiteren unklaren Gebiets- und Machtansprüchen im Zerfallsgebiet der Ex-UdSSR entstehen könnten.
    Ein zweites Beispiel für die europäische Neigung, Sicherheitsprobleme in der E U-Peripherie zu verdrängen, ist die Provinz Transnistrien. Die sezessionistische Region im Osten der Republik Moldau strebt nach Unabhängigkeit
     von der Zentralregierung des Landes. Russland fördert die Spaltungsbewegung. Die Spannungen in Transnistrien mündeten 1992
     in einen Bürgerkrieg. Die 14. russische Armee griff in die Kämpfe ein und unterstützte die transnistrischen Separatisten gegen
     die moldauische Miliz. Die Auseinandersetzungen kosteten an die tausend Menschen das Leben. Trotz internationaler Appelle,
     seine Truppen abzuziehen, ließ Moskau weiter über 1000   Soldaten in Transnistrien stationiert. Das Auswärtige Amt in Berlin hält den Landstreifen unverändert für eine schwelende
     Konfliktzone. »Eine erneute bewaffnete Austragungdes Konflikts wie im Sommer 1992 kann nicht völlig ausgeschlossen werden«, heißt es in den Sicherheitshinweisen des Auswärtigen
     Amtes zu Transnistrien.
    Die Republik Moldau grenzt an Rumänien, die Ukraine an Polen. Das heißt: In zwei östlichen Nachbarstaaten der EU (und der
     Nato) schlummert das Potenzial für Kleinkriege, die die Großmacht Russland involvieren könnten. Doch welche Politik leitet
     die EU aus diesen Konstellationen ab? Welcher Politiker in Berlin, Paris, London oder Rom kümmert sich um Transnistrien oder
     die Krim? Für die abgelegenen Krisenregionen Afghanistan, Pakistan und den Nahen Osten fühlt sich jeder Außenpolitiker als
     Experte. Dass die politische Tektonik östlich von Polen seit 1989 noch immer nicht zum Stillstand gekommen ist, rührt hingegen
     kaum jemanden. Europas Ränder mögen vor sich hin schwelen; als sicherheitspolitische Herausforderung scheinen sie einfach
     nicht heiß genug.
    »Wir sehen doch gerade, wie schnell gefrorene Konflikte entfrostet werden können – geradezu mit Mikrowellengeschwindigkeit«,
     appelliert Nemyria. »Es brauchte nur drei oder vier Tage, bis die Lage zwischen Georgien und Russland eskaliert war. War vielleicht
     der Weckruf noch nicht laut genug?«
     
    Als die Europäische Union 2003 ihre Sicherheitsstrategie verabschiedete, definierte sie darin Stabilität, Wohlstand und Demokratie
     in ihrer unmittelbaren Peripherie als europäisches Schlüsselinteresse. Um diese Ziele zu fördern, legte sie im selben Jahr
     ein Nachbarschaftsprojekt mit insgesamt 16   Staaten auf, die zum weiteren Anrainerkreis der EU zählen. Der Bogen der Beteiligten reicht von Marokko über Syrien bis in
     den Kaukasus. Die EU will diesen Ländern helfen, sich behutsam den vier Grundfreiheiten anzunähern, für die Brüssel steht:
     Freiheit von Menschen, Gütern, Dienstleistungen und Kapital. Die Anrainer dürfen, um im Bild zu bleiben, der liberalen Wirtschaftsgemeinschaft
     EU den Hof machen. Dafür bezahlt sie ihnen sogar die Benimmschule. Von den 8,1   Milliarden Euro, die im E U-Wirtschaftsplan ab 2009 für externe Angelegenheiten veranschlagt sind, sollen 1,6   Milliarden in die Partnerschaftspolitik fließen, weitere 157   Millionen in die Förderung von Demokratie und Menschenrechten und 99   Millionen in makroökonomische Unterstützung.
    Die Ukraine gehört wie Georgien und Moldau seit 2008 zueinem privilegierten Brüsseler Programm, das sich »Östliche Partnerschaft« nennt. Mithilfe von 600   Millionen Euro sollen über vier Jahre Reise- und Handelserleichterungen geschaffen werden, kleine und mittelständische Betriebe
     gefördert oder Energieeffizienz vorangetrieben werden. Die drei anderen Teilnehmer des Östlichen-Partnerschafts-Programms
     sind die

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