So schön kann Küssen sein
und machte es sich bequem. Überall in dem halbdunklen Zimmer waren Spuren des Verfalls zu sehen, und es schmerzte sie, dass es ihr nicht möglich war, dieses Haus, das so viele Generationen ihrer Familie beherbergt hatte, wirklich instand zu halten.
“Was ist mit Ihnen?”, fragte er. “Sie haben erwähnt, dass Ihre Mutter gestorben ist und dass Ihr Stiefvater in der Nähe wohnt. Erzählen Sie mir die Geschichte von Randi Cullen.”
“Die ist bestimmt nicht spannender.” Randi schloss die Augen und sprach leise weiter. “Mein Vater starb, als ich zehn war. Mit ihm ist die Freude aus meinem Leben verschwunden. Meine Mutter war gut zu mir, aber sie musste hart arbeiten, um die Ranch zu erhalten. Man konnte regelrecht zusehen, wie sie von dem ständigen Kampf Falten bekam. Sie hat mir leidgetan, aber ich wusste nicht, wie ich ihr helfen sollte. Ich wusste nur, dass wir meinem Vater versprochen hatten, dass dieses Land immer im Besitz der Familie bleiben würde.”
Knisternd und prasselnd zerbarst ein Holzscheit. Bei dem knackenden Geräusch musste Randi daran denken, dass sie wahrscheinlich die letzte Generation auf dem Land der Cullens sein würde. Und womöglich gelang es ihr als letzter Cullen nicht einmal, die Ranch bis zu ihrem Tod zu halten.
“Als ich dreizehn war, heiratete meine Mutter Frank Riley aus Willow Springs. Ich glaube nicht, dass sie ihn geliebt hat, aber er war Anwalt. Er hatte das Testament meines Vaters verfasst, und er war auch der Testamentsvollstrecker. Bestimmt hat sie gedacht, er würde uns mit der Ranch helfen, und uns und das Land retten. Aber das alles war ihm wohl ziemlich gleichgültig.”
Randi gähnte und sah zu Manny, weil sie wissen wollte, ob er ihr überhaupt noch zuhörte. Er hatte sich auf einen Ellbogen gestützt, aber sie erkannte nicht, ob er ihren Worten folgte.
“Knapp ein Jahr später erlitt meine Mutter den ersten Schlaganfall und war linksseitig vollständig gelähmt. Frank meinte, er könne nicht zusehen, wie seine anfangs so lebensfrohe Frau nun für immer an den Rollstuhl gefesselt sei. Darum hat er sich auf einem anderen Abschnitt der Ranch ein Haus gebaut und ist ausgezogen. Da er schon vorher beruflich oft in Mexiko und anderswo war, vermisste ich ihn nicht. Irgendwie hat er mir sogar leidgetan. Ich glaube, er hat versucht, Daddy und dem Ruf der Familie gerecht zu werden.”
Nein, das stimmte nicht ganz. Leidgetan hatte Frank ihr nur bis zum Tod ihrer Mutter. Danach hatte er die Hälfte der Ranch geerbt und von ihr die Zustimmung verlangt, alles an eine Erschließungsgesellschaft zu verkaufen. Wahrscheinlich konnte sie sich auch nicht mehr lange dagegen wehren, weil sie in der Führung einer Ranch zu unerfahren war.
Randi merkte, dass sie immer schleppender sprach, und überließ sich schließlich der Müdigkeit, die sie überkam. Kurz bevor sie in tiefen Schlaf sank, hörte sie Manny leise sagen: “Schlafen Sie gut, süße Randi. Sie waren lange genug tapfer und stark. Lassen Sie eine Nacht lang einen anderen für Sie kämpfen. Ich bin hier, um Sie zu beschützen.”
Es kam Randi vor, als habe sie nur wenige Minuten geschlafen, als sie von etwas geweckt wurde. Das Feuer war fast ausgegangen. Randi setzte sich auf und wollte es wieder anfachen, als ein lang gezogenes Ächzen und Stöhnen erklang, was ihr einen eisigen Schauer über den Rücken jagte.
Manny sprang auf. “Was war das?”, fragte er.
“Ich weiß es nicht. Vielleicht der Wind.” Sie stand von der Couch auf. “Es hat sich wie der Wind angehört, aber …”
Lautes Krachen schnitt ihr das Wort ab. Über ihren Köpfen knirschte und polterte es. Was, um alles in der Welt, passierte noch in dieser Nacht?
4. KAPITEL
Randi holte eine Taschenlampe aus einer Schublade, schaltete sie ein und reichte sie Manny. Dann sah sie nach dem Baby, ehe sie Manny nach oben folgte. Nach der dritten Treppe blieben sie stehen.
“Haben Sie eine Ahnung, was das für ein Lärm war?”, fragte er.
Sie war vor Angst und Anstrengung außer Atem. “Ja, ich fürchte schon.”
Manny öffnete die Tür zum Dachboden, ließ den Lichtstrahl der Taschenlampe durch den Raum wandern und sah, was Randi geahnt hatte. Eine Ecke des Dachs war weggerissen worden. Jetzt war dieser Teil des Dachbodens den Naturgewalten schutzlos ausgeliefert. Regen prasselte durch das Loch herein.
Schlimmer konnte es gar nicht kommen. Randi sank auf die Knie. Der Zerfall ihres Hauses war nicht länger aufzuhalten. “Ich kann nicht
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