So sinnlich kann die Liebe sein
müssen Sie nicht bleiben."
Bel seufzte. „Danke, Michael. Ich sehne mich nach einem erfrischenden Bad."
Doch als sie sich schließlich in der muschelförmigen elfenbeinfarbenen Wanne entspannte, wurde ihr bewusst, dass der ganze, ereignislose Abend vor ihr lag. Ihr Herz schlug heftiger. Sie konnte es nicht ertragen, sich eine weitere Nacht den Kopf über Jake zu zerbrechen. Irgendetwas musste sie tun, und wenn sie gegen den Rat ihrer Mutter trotz des starken Wochenendverkehrs nach Hause fuhr.
Lesen konnte sie nicht. Das Fernsehen bot auch keine Ablenkung. Was sie brauchte, war Gesellschaft. Aber sie wollte nicht irgendwen um sich haben. Sie wollte mit Jake zusammen sein. Wenn sie eine Freundin anrief und mit ihr den Abend verbrachte, würde sie ihr entweder das Herz ausschütten oder geistesabwesend ins Leere starren.
Es gab keine richtige Lösung, das wusste Bel. Sie musste die nächsten Tage einfach durchstehen, einen nach dem anderen. Es war so ähnlich wie bei einer Krankheit. Die musste man auch ertragen, in der Hoffnung, dass es einem eines Tages besser gehen würde.
Eines Tages würde es nicht mehr weh tun. Sie würde die Stunden mit Jake vergessen haben. Vermutlich würde sie sich nicht mal mehr an sein Gesicht erinnern.
Eines Tages.
Sie stieg aus der Wanne und stellte sich unter die Dusche. Dann trocknete sie sich ab und redete sich ein, sie würde sich schon besser fühlen. Im Schlafzimmer zog sie sich eine abgetragene grüne Jeans an und wählte ein cremefarbenes Top dazu. Vielleicht sollte sie doch eine Freundin anrufen und Pizza essen gehen. Sie kämmte sich das Haar, band es mit einer Spange zusammen und begann sich die Augen zu schminken.
So etwas brauchte sie jetzt, ganz alltägliche Beschäftigungen ... Vielleicht sollte sie Staub saugen?
Stattdessen ging sie in die Küche hinüber, sah in den Kühlschrank und überlegte, ob sie Hunger hatte. Doch dann schloss sie die Tür des Kühlschranks wieder, ging die Stufen hinunter ins Wohnzimmer und schaute aus dem großen Fenster aufs Meer.
Noch eine Stunde bis zum Sonnenuntergang. Die letzten Sonnenstrahlen funkelten auf dem Wasser, der Wind fuhr durch die Kronen der Bäume, und Bel sah, dass sich dunkle Regenwolken zusammenballten. Sie starrte halb hypnotisiert und gedankenlos in die Ferne.
Sie wartete auf etwas und wusste nicht worauf. Bestimmt nicht auf Jake. Oder doch? Nein, sie wartete auf die Liebe.
Als es an ihrer Tür klopfte, dachte sie zuerst, es sei der Assistent des Innenarchitekten. Vermutlich hatte er doch keine Schlüssel, oder er hatte vergessen, ihr etwas zu sagen. An mehr dachte sie nicht, als sie zur Tür ging und sie schwungvoll aufmachte.
Ihr Herz machte einen Sprung und setzte einen Schlag aus. „Jake!" hauchte sie verblüfft.
Groß und schlank stand er vor ihr, füllte den Türrahmen fast aus, als wollte er verhindern, dass sie sich an ihm vorbeizwängen konnte. Aber sie regte sich nicht, sondern starrte ihn nur stumm an.
„Ich muss mit dir reden", erklärte er, trat ein und fasste nach ihrem Arm. Er schob sie beiseite und machte die Tür hinter sich zu.
Am Telefon hatte sie hart bleiben können, aber in seiner Gegenwart war sie praktisch hilflos vor Verlangen. Als er die Hände nach ihr ausstreckte, schlang sie die Arme um seinen Nacken. Jake zog sie gleich so fest an sich, dass ihr der Atem stockte. Er beugte sich über sie und vermochte ihren einladenden Lippen nicht zu widerstehen. Mit einem leisen Aufschluchzen schmiegte sie sich an ihn.
Er ließ sich gegen die Tür fallen und zog Bel mit sich. Sie lachte unter Tränen und war plötzlich sehr froh, ihn wieder zu sehen. Er umrahmte ihr Gesicht mit den Händen und küsste sie stürmisch.
Schließlich beendete er den Kuss, schob sie sanft ein wenig von sich fort und nahm sie bei der Hand.
„Wir müssen miteinander reden", erklärte er und führte sie ins Wohnzimmer, wo er sie auf dem Sofa Platz nehmen ließ. Obwohl die Sonne noch rotgolden am Horizont leuchtete, fielen die ersten Regentropfen auf die Fensterscheiben.
Er stand da und schaute Bel an. Er blickte ernst drein, und sie spürte, dass er niemals das sagen würde, was sie hören wollte. Aber er verschlang sie fast mit seinem Blick, und sie konnte es nicht verhindern, dass eine schwache Hoffnung in ihr aufglomm. Ihr Puls raste vor Aufregung.
„Wie ist es dir ergangen, Bel?" fragte er bedächtig und schaute sie an.
„Gut!" log sie fröhlich.
Er nickte, als hätte er nichts anderes erwartet.
Weitere Kostenlose Bücher