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So soll er sterben

Titel: So soll er sterben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ian Rankin
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steile, schmale Leiter zum Dachboden hinauf. Rebus atmete ein paar Mal tief durch und machte sich erneut an den Aufstieg.
    Es gab nur einen großen Raum, in den durch vier große Veluxfenster Tageslicht flutete. An den Wänden standen Leinwände, an sämtlichen Dachbalken waren mit Stecknadeln Schwarzweißfotografien befestigt.
    »Ich male meistens nach Fotos«, erklärte Quinn. »Die wollte ich Ihnen zeigen.« Es waren Nahaufnahmen von Gesichtern, wobei die Kamera hauptsächlich auf die Augen fokussiert schien. Rebus sah Misstrauen und Angst, Neugier, Nachsicht und Gutmütigkeit. Umringt von so vielen Blicken kam er sich selbst wie ein Ausstellungsobjekt vor, und als er dies der Künstlerin mitteilte, schien sie erfreut.
    »Bei meiner nächsten Ausstellung soll kein Stück Wand mehr zu sehen sein, nur diese gemalten Gesichter, die unsere Aufmerksamkeit erzwingen, eins neben dem anderen.«
    »Und uns in Grund und Boden starren.« Rebus nickte. »Wo haben Sie die Fotos gemacht?«
    »Überall: in Dundee, Glasgow, Knoxland.«
    »Alles Migranten?«
    Sie nickte und betrachtete ihr Werk.
    »Wann waren Sie in Knoxland?«
    »Vor drei oder vier Monaten. Nach ein paar Tagen haben sie mich verjagt.«
    »Wie das?«
    Sie drehte sich zu ihm. »Sagen wir, man hat mir das Gefühl vermittelt, dass ich nicht willkommen war.«
    »Wer ist man?«
    »Die Leute, die da wohnen… Heuchler… verbitterte Menschen.«
    Rebus sah sich die Fotos genauer an. Niemand dabei, den er erkannte.
    »Natürlich wollen sich nicht alle fotografieren lassen. Das muss ich respektieren.«
    »Fragen Sie sie nach ihren Namen?« Sie nickte wieder. »Jemand namens Stef Yurgii dabei?«
    Sie wollte gerade den Kopf schütteln, doch dann sah sie ihn mit durchdringendem Blick an. »Sie horchen mich aus!«
    »Ich habe nur eine Frage gestellt«, entgegnete er.
    »Auf freundlich machen, mich nach Hause fahren…« Sie schüttelte den Kopf über ihre eigene Dummheit. »Gott, und ich habe Sie auch noch reingebeten.«
    »Ich versuche, einen Mord aufzuklären, Caro. Und mitgenommen habe ich Sie aus reiner Neugier… ohne Hintergedanken.«
    Sie starrte ihn an. »Neugier worauf?« Abwehrend verschränkte sie die Arme vor der Brust.
    »Weiß nicht. Vielleicht, warum Sie diese Mahnwachen halten. Sie sehen eigentlich nicht so aus.«
    Ihre Augen wurden noch schmaler. »Wie sehe ich nicht aus?«
    Er zuckte mit den Achseln. »Kein verfilztes Haar, keine Armeejacke, kein räudiger Hund an einem Stück Wäscheleine… und nicht allzu viele Piercings, soweit ich das beurteilen kann.« Er wollte die Angelegenheit etwas ins Lächerliche ziehen und war erleichtert zu sehen, dass sie lockerer wurde. Sie rang sich ein schiefes Lächeln ab, löste die Arme aus der Verschränkung und steckte stattdessen die Hände in die Hosentaschen.
    Von unten drang ein Geräusch herauf: das Weinen eines Babys. »Ihrs?«, fragte Rebus.
    »Ich bin nicht mal verheiratet heutzutage…« Sie wandte sich um und stieg die enge Treppe hinab. Rebus blieb noch einen Moment stehen, bevor er ihr folgte.
    Eine der Türen im Flur stand offen. Sie führte in ein kleines Schlafzimmer mit einem schmalen Bett, auf dem eine dunkelhäutige Frau mit verschlafenen Augen saß, ein Baby an der Brust.
    »Alles klar mit der Kleinen?«, fragte Quinn die junge Frau.
    »Alles klar«, lautete die Antwort.
    »Dann lasse ich euch in Ruhe.« Quinn zog langsam die Tür zu.
    »Ruhe«, antwortete die leise Stimme von drinnen.
    »Raten Sie mal, wo ich sie getroffen habe«, sagte Quinn zu Rebus.
    »Auf der Straße?«
    Sie schüttelte den Kopf. »In Whitemire. Sie ist ausgebildete Krankenschwester, nur leider darf sie hier nicht arbeiten. In Whitemire sitzen Ärzte, Lehrer…« Sie lächelte, als sie seinen Gesichtsausdruck sah. »Keine Angst, ich habe sie nicht rausgeschmuggelt oder so. Man muss nur eine Adresse und eine Kaution hinterlegen, und man kann so viele rausholen, wie man will.«
    »Tatsächlich? Habe ich nicht gewusst. Was kostet es?«
    Ihr Lächeln wurde noch breiter. »Ist da jemand, den Sie gern auslösen würden, Inspector?«
    »Nein… ich war nur neugierig.«
    »Es gibt viele Leute wie mich, die eine Kaution hinterlegt haben… sogar der eine oder andere Parlamentarier ist dabei.« Sie legte eine Pause ein. »Sie denken an Mrs. Yurgii, stimmt’s? Ich hab gesehen, wie sie mit ihren Kindern zurückgebracht wurde. Und gut eine Stunde später kreuzen Sie auf mit einem Puppenhaus im Auto.« Sie hielt erneut inne. »Sie wird man

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