Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
So still die Nacht

So still die Nacht

Titel: So still die Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kim Lenox
Vom Netzwerk:
mochten ein bisschen umhergewandert sein – alles auf ihre Ermutigung hin –, aber das war auch alles gewesen. Rückblickend bedauerte er, dass es überhaupt so weit gekommen war. Es machte seine Anwesenheit im Haushalt der Traffords äußerst peinlich.
    Mark nickte und beugte sich in seinem Sessel vor. Er streckte die Hand über die breite Fläche des Schreibtischs aus. »Das ist richtig. Sie haben gerade erst Ihre eigene Hochzeit gefeiert. Ich muss Ihnen gratulieren.«
    Sie schüttelten einander die Hände, eine förmliche Geste.
    Trafford blies lächelnd eine Rauchwolke aus. »Lucinda und ich haben im Dezember geheiratet, in der Kapelle meiner Familie in Lancashire.«
    »Sie sind ein glücklicher Mann.«
    »Das bin ich in der Tat. Sie hat Wunder gewirkt mit den Mädchen.«
    Aus dem Nichts durchzuckte ein stechender Schmerz Marks Schläfen. Er presste die Fingerspitzen darauf, das Unbehagen verblasste. Seine Stimmung wurde ernst. Manchmal warnte ihn ein ähnliches Gefühl vor einem herannahenden Anfall, den er innerlich inzwischen seinen unbequemen Wahnsinn nannte. Bisher hatten sich solche Anfälle nur in dunklen Gemütslagen wie irrationaler Wut und wildem Trieb offenbart, und er hatte sie immer bezähmen können. Er wusste nicht, wie die fehlenden drei Monate und seine Rückkehr nach London – dem Ort des Beginns seiner Transzendierung – sich auf die Häufigkeit oder Intensität der Anfälle ausgewirkt hatten. Das war der Grund, warum er die Einladung Traffords, über Nacht zu bleiben, abgelehnt hatte. Trotz seines Verlangens, Miss Limpetts Gunst zu erringen, hielt er es für das Beste, Vorsicht walten zu lassen, zumindest bis er sich über seinen mentalen Zustand im Klaren war.
    »Bedauerlicherweise, Trafford«, sagte er, »wird es Zeit, dass ich gehe.«
    Wie aufs Stichwort schlug die vergoldete Uhr auf dem Kaminsims elf. Trafford betrachtete das Ziffernblatt mit schmalen Augen.
    »Ich stimme Ihnen zu – es war ein langer Tag.« Er erhob sich, nahm einen silbernen Aschenbecher, legte den Rest seiner Zigarre darauf ab und bot ihn Mark an, damit er das Gleiche tun konnte. Dann kam er um den Schreibtisch herum und deutete auf die Tür. »Dann wollen wir nach Ihrem Pferd sehen.«
    Der Butler stand unten an der Treppe.
    Trafford stützte sich auf das Geländer. »Ist Lord Alexanders Pferd schon gebracht worden?«
    Der Butler antwortete: »Der Stallbursche hat es in Empfang genommen und ihm Wasser gegeben. Ich werde es herbringen lassen.«
    »Gut.«
    »Euer Gnaden?« Der Butler trat vor, die Hände hinterm Rücken verschränkt. »Wäre es möglich, ein Wort mit Ihnen über eine Haushaltsangelegenheit zu sprechen, bevor Sie sich zurückziehen?«
    »Natürlich, Mr George.« Trafford hob eine Hand. »Sobald Lord Alexander sein Pferd hat.«
    Mark winkte ab. »Nein, gehen Sie nur. Ich bin mir sicher, dass mein Pferd sofort hergeführt wird, vielen Dank. Ich werde einfach hier warten.«
    Trafford fügte hinzu: »Lucinda plant für Donnerstag ein Gartenfest. Wir werden Ihnen eine Einladung schicken.«
    Eine günstige Gelegenheit, um zurückzukehren und Miss Limpett zu verführen – ja, warum warten?
    »Das Fest würde ich mir nicht gern entgehen lassen.«
    Sich selbst überlassen schlenderte Mark, den Hut hinterm Rücken, zum Hauseingang. Er spähte aus dem Fenster auf die dunkle, aber noch sehr belebte Straße. Gott sei Dank hatte er sein Pferd, sonst würde es ihn eine Stunde kosten, aus diesem Chaos herauszukommen. Sein Blut floss schneller bei dem Gedanken an sie. Ein Lächeln umspielte seine Lippen. Hinter ihm erklangen leichtfüßige Schritte auf dem Marmor. Er drehte sich um.
    Miss Limpett kam aus einem Flur und war offensichtlich auf dem Weg zur Treppe. Ihre Haube hing an ihrem Ellbogen. Sie hatte außerdem ihre Tasche bei sich und mehrere Bücher. Als sie seine Anwesenheit bemerkte, blieb sie wie angewurzelt stehen. Ihre Wangen färbten sich rosig, aber sie lächelte nicht. Sie straffte die Schultern, als wollte sie sich gegen ihn wappnen, aber genau mit dieser Haltung bot sie ihm das verführerische Bild hoher, voller Brüste und einer Stundenglasfigur.
    Er konnte ihren Argwohn praktisch spüren. Er liebte die leidenschaftliche Verführung, liebte es, Ränke zu schmieden, begriff aber, dass er in diesem Fall nicht zu schnell vorgehen durfte, damit sie nicht floh. »Miss Limpett.«
    »Lord Alexander«, antwortete sie ausgesucht höflich. Aus dem emotionalen Puffer, den sie zwischen ihnen errichtet hatte,

Weitere Kostenlose Bücher