Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Socrates - Der friedvolle Krieger

Titel: Socrates - Der friedvolle Krieger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan Millman
Vom Netzwerk:
stürzte. Da der Bach also nicht schiffbar war, mussten sie auch nicht damit rechnen, dass Boote vorbeifahren würden. Zudem lag die Siedlung weit ab von jeder Straße. Niemand würde sie hier stören.
     
    Die neun Kinder des Dorfes - vier Mädchen und fünf Jungen - waren überglücklich, dass die Siedlung so nah an einem Wasserfall lag. Eines Tages spielten sie wie meistens im Bach, als einer der Jungen dem Abgrund zu nahe kam, ausrutschte und in die Tiefe stürzte, wo er mit zerschlagenem Körper auf den Felsen liegen blieb.
    Danach verbot der Ataman seinen Lieblingen Paulina und Konstantin, zu nahe am Rand des Wasserfalls zu spielen. Er meinte kaltschnäuzig, dass der tote Jungen dumm gewesen war und dass ihn sein Glück nun im Stich gelassen hatte. Niemand würde ein solches Kind vermissen - außer Schura vielleicht.
    Wie die anderen Jungen seines Alters erforschte auch Konstantin den Wald, spielte den kühnen Helden und ritt, wenn man es ihm erlaubte. Seine Zeit mit einem kleinen Mädchen zu verbringen, gehörte eigentlich nicht zu seinen Prioritäten, obwohl ihn die kleine Paulina verehrte. Aber seit er das Baby vor Jahren zum ersten Mal gesehen hatte, war er ihr auf eine Weise zugetan, die ihn froh machte, zugleich aber auch erschreckte.
    Damals hatte Schura ihm aufgetragen, das Baby zu halten, weil sie sich um ein anderes kümmern musste. Er konnte sich noch daran gut erinnern, wie sie ihre winzige Hand ausgestreckt und einen Zipfel seines Wollhemdes umklammert hatte. Sie zog an dem Hemd und plapperte munter drauflos, während sie ihn ansah. Als er in diesem Moment in ihre Augen blickte, konnte er die Welt so sehen wie das Baby: als einen geheimnisvollen Ort, an dem alle Menschen gut sind und alles möglich ist.
    Dieser strahlende Augenblick endete abrupt, als einer der älteren Jungen vorbeikam und ihn »Memme« nannte. Sobald er konnte, gab Konstantin das Baby zurück und rannte hinaus, um den Männern zu helfen.
    Später, nachdem Paulina das Laufen gelernt und die ersten Worte gesprochen hatte, folgte sie Konstantin überallhin. Sie versuchte, ihre kleinen Beinchen so schnell wie möglich zu bewegen, um ihn einzuholen, wobei sie immer wieder flehend rief: »Kontin! Kontin!« Weil sie seinen richtigen Namen noch nicht aussprechen konnte, wurde er ihr Kontin. Und mit der Zeit entwickelte er ihr gegenüber einen immer stärker werdenden Beschützerinstinkt.
    Der Ataman hatte Elena befohlen, Paulina nicht mit den anderen Mädchen, sondern nur mit den Jungen spielen zu lassen. Seine Tochter sollte Jungenkleidung tragen und vom großen Jergowitsch und seinen besten Leuten im unbewaffneten Kampf unterwiesen werden. Sollte ihr irgendetwas zustoßen, würde die Verantwortung dafür auf Elenas und Konstantins Schultern ruhen. Was im Klartext hieß: Sollte Paulina etwas zustoßen, würde überhaupt nichts mehr auf Elenas und Konstantins Schultern ruhen.
    Obwohl Paulina Sakoljews klarer Favorit war, empfand er auch gegenüber Konstantin väterliche Gefühle. Aber es gab Zeiten, da sah der Ataman Konstantin so merkwürdig an, dass dieser es mit der Angst bekam und nicht wusste, was er denken sollte.
    Konstantin war froh, dass zumindest Paulina in einer Hütte mit Menschen lebte, die sie mochten oder sich zumindest um sie kümmerten. Manchmal fragte er sich, woher er gekommen war und wer seine Eltern wohl gewesen waren, aber da solche Überlegungen zu nichts führten, ließ er sie sein. Aber er hörte den Männern aufmerksam zu - immer in der Hoffnung, dass das Gespräch zufällig einmal auf seine Herkunft kommen sollte.
    Nachts saß er oft in einer Ecke der Scheune und zeichnete oder schnitzte, während die Männer tranken und sich unterhielten. Ein aufmerksamer Junge konnte dabei viel aufschnappen und Konstantin war nicht nur aufmerksam, sondern ebenso unsichtbar wie die Hunde, die zusammengekauert in seiner Nähe lagen. Als er jünger war, hatte er mit den Erwachsenen auf Patrouille ausreiten wollen, aber nachdem er gehört hatte, wie sie über Mord und Plünderung sprachen, war er sich nicht mehr so sicher, dass er das wirklich wollte. Eines Tages würde er sich entscheiden müssen, ob er einer von ihnen werden wollte oder …
    Sein junger Verstand konnte sich noch keine Alternative vorstellen. Dieses Lebens war das einzige, das er kannte, alles andere waren nur Hirngespinste.

30
    E inige Wochen später - Sergej wollte gerade mit seinen Aufwärmübungen beginnen - griff ihn Seraphim unvermutet an. Das kam zwar

Weitere Kostenlose Bücher