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Socrates - Der friedvolle Krieger

Titel: Socrates - Der friedvolle Krieger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan Millman
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heranstürmendes Pferd handelt, immer ist es eine Kraft, die auf dich zukommt. Du bewegst dich, du atmest und der Körper wird die richtige Antwort wissen.«
    »Leichter gesagt als getan«, sagte Sergej nachdenklich. Seraphim lächelte. »Ich glaube, jetzt fängst du langsam an zu verstehen.«
     
    Die nächste Phase des Trainings begann damit, dass Seraphim einen faustgroßen Stein aufhob und zu Sergej sagte: »Fang diesen Stein!« Dann warf er den Stein aus drei Metern Entfernung mit einer solchen Wucht, dass Sergej sich fast das Handgelenk gebrochen hätte.
    »Präge dir diesen Schmerz ein«, sagte Seraphim. »Man nennt ihn ›Widerstand‹. Im Leben entsteht Stress dadurch, dass du dich dem widersetzt, was geschieht. Das gilt auch für einen Kampf. Ganz egal, was auf dich zukommen mag, wenn du dich ihm widersetzt, wenn du eine rigide Haltung einnimmst, wirst du Schmerzen erleiden. Reagiere niemals mit Gewalt auf Gewalt, nimm sie auf und lenke sie für deine Zwecke um.«
    Er hielt einen Moment inne, bevor er fortfuhr. »Nun wirst du lernen, wie du eine große Kraft besiegen kannst, indem du ihr ausweichst.«
    Damit fing er an, faustgroße Steine behutsam in Richtung Sergejs Brust zu werfen. Sergej sollte ihnen ausweichen und sie weich auffangen. Dabei sollte er sich der Geschwindigkeit und der Bewegung der Steine anpassen, sodass beim Fangen kein Aufprall zu hören war.
    Dann holte der alte Mönch einen schweren Eichenstab hervor und griff Sergej damit von der Seite an. Zuerst hieß er Sergej eine unnachgiebige Haltung einnehmen, damit er den Schmerz des Aufpralls spüren kann. Dann befahl er ihm, ihn mit dem Stab zu schlagen, und zeigte ihm, wie er den Aufprall absorbieren konnte, indem er im letzten Moment nachgab. Auf diese Weise konnte er die Wucht des Aufpralls um mehr als die Hälfte reduzieren.
    »Das ist ja schön und gut, wenn mich jemand mit einem Stock angreift«, sagte Sergej. »Aber was ist, wenn ich mit dem Säbel angegriffen werde? Ich kann doch nicht den Aufprall einer Klinge absorbieren.«
    Seraphim kratzte sich am Kopf und tat so, als ob er ernsthaft über die Frage nachdachte. Nach einer Weile sagte er dann lächelnd: »Dann solltest du ihr wohl besser ausweichen.«
    In den nächsten Wochen warf Seraphim viele weitere Steine nach Sergej und zwar immer schneller. Sergejs Aufgabe war es, sich aus der Wurflinie zu bewegen, den Stein lautlos zu fangen und seine Kraft zu absorbieren. Im Lauf der Zeit wurden aus Steinen Messer, die zuerst langsam und dann in immer kürzerer Abfolge geworfen wurden. Später lernte er Fausthieben, Schulterstößen und Tritten auszuweichen und sie zu absorbieren, bevor er es wieder mit dem Stock versuchte.
    Irgendwann hatte Sergej genug. »Diese Spielchen mit den Steinen und dem Stock sind ja ganz nett«, sagte er in einem Anfall plötzlicher Ungeduld, »aber wann lerne ich endlich fortgeschrittene Kampftechniken und den Gebrauch von Waffen? Wann lerne ich endlich, Tiere zu imitieren und so zu kämpfen, wie es die chinesischen Mönche tun?«
    »Zunächst einmal gibt es keine fortgeschrittenen Methoden, Socrates, es gibt nur geschickte oder ungeschickte Bewegungen. Tiger, Affen oder Drachen zu imitieren, mag zwar schön aussehen, aber ich schlage vor, dass du dir das gefährlichste aller Tiere zum Vorbild nimmst: das Menschentier, das sowohl über Instinkt als auch über Vernunft verfügt. Deine gefährlichste Waffe befindet sich zwischen deinen Ohren. Jene, die sich auf ihre Körperkraft verlassen, können leicht durch Klugheit, Unberechenbarkeit, Flexibilität und Täuschung besiegt werden.«
     
    Als der Herbst kam und mit ihm die kalten Winde, führte Seraphim Sergej zur einer Klippe, die zwanzig Meter hoch über den tobenden Wellen aufragte.
    »Dreh dich mit dem Rücken zum Wasser und stell dich mit den Fersen genau auf den Klippenrand«, befahl Seraphim. »Es mag eine Zeit kommen, da du am Rande eines Abgrunds stehst und kämpfen musst. Es mag sich dabei um eine Brücke handeln oder um eine Klippe wie diese. Wenn in dir Angst aufsteigt und du spürst, wie du dich anspannst, dann musst du vollkommen weich werden, atmen, absorbieren und ausweichen. Wenn du dich anspannst, wirst du fallen.«
    Als Sergej sich einmal kurz umdrehte und hinter sich sah, hätte er beinahe das Gleichgewicht verloren. »Wenn ich falle …«
    »Wird es nass sein und unangenehm, aber sterben wirst du wahrscheinlich nicht.«
    Als Seraphim ihn sanft anstieß, gab Sergej nach und drehte sich um

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