Söhne der Erde 09 - Die letzten Marsianer
am Boden kauerte. Er wollte rasch aufstehen, aber er schwankte und wäre wieder zusammengebrochen, wenn nicht einer seiner Kollegen nach seinem Arm gegriffen hätte.
»Danke«, murmelte er. »Ich...ich schwöre...«
Der Mann, der ihn stützte, zuckte zusammen.
Er schnüffelte. Dann wich er einen halben Schritt zurück und drehte sich um.
»Scardoval!« stieß er hervor.
Das Gesicht des Offiziers versteinerte.
Mit zwei Schritten stand er vor dem Vollzugspolizisten, der völlig verständnislos die Augen aufriß. Er brauchte ein paar Sekunden, bis auch er selbst den stechenden, süßlichen Geruch wahrnahm, der ihm anhaftete. Seine Augen wurden noch größer. Abwehrend hob er die Hände.
»Nein!« stammelte er. »Nein! Das ist nicht wahr! Ich habe nichts genommen!«
»Sie sind voll mit dem Zeug!« fauchte der Offizier. »Man kann es riechen! Sind Sie wahnsinnig geworden, Mann?«
»Aber ich schwöre...«
»Abführen! Entzug in der psychiatrischen Klinik, außerdem Meldung an den Disziplinarausschuß. Scardoval im Dienst! Wenn es mir nach geht, werden Sie die nächsten fünf Jahre Ihres Lebens in den Mondbergwerken zubringen!«
Nummer Achtzig ließ schicksalsergeben den Kopf hängen.
Er war sich keiner Schuld bewußt, doch er wußte, daß es sinnlos war zu widersprechen. Der charakteristische Geruch der Droge ließ sich nicht verkennen. Jemand mußte sie ihm während seiner Bewußtlosigkeit beigebracht haben - eine Erklärung, die er gar nicht erst laut aussprach, weil er wußte, daß ihm ohnehin niemand glauben würde.
Nummer Zweiundsiebzig verhielt sich still und hoffte, daß man seine Behauptung über das unerklärliche Verschwinden des anderen vergessen würde.
Eine vergebliche Hoffnung. Der Offizier wandte sich ihm zu und durchbohrte ihn mit einem kalten Blick.
»Und Sie haben Nummer Achtzig verschwinden sehen, ja? So war das doch, nicht wahr?«
»J-ja...«
»Halluzinationen. Typisch für Scardoval-Mißbrauch. - Abführen!«
»Aber ich schwöre...«
»Schwören können Sie vor Gericht! Abführen!«
Mit einer wütenden Bewegung schwang der Offizier herum und marschierte zu seinem Jet zurück. Die beiden Polizisten, denen bereits die Waffen abgenommen worden waren, folgten ihm mit hängenden Köpfen wie geprügelte Hunde.
VI.
Die Nacht war hereingebrochen, als der Gleiter das Raumschiff erreichte.
Die anderen Fahrzeuge standen bereits dort, unsichtbar innerhalb des Zeitfeldes, um wenige Sekunden in die Zukunft versetzt und den Augen der marsianischen Wachen entzogen. Mit gerunzelter Stirn stellte Charru fest, wie dicht der Ring um das Schiff war. Der Diebstahl von Energiezellen und Ersatzteilen auf dem Gelände des Raumhafens hatte es den Verantwortlichen leicht gemacht, die richtigen Schlüsse zu ziehen. Mochten sie einen Start der »Terra« auch nach wie vor für unmöglich halten -sie vermieden jedes Risiko und überwachten das Gelände, als gelte es, jeden Moment eine bewaffnete Invasion abzuwehren.
Und dabei ahnten sie nicht einmal, daß ihre Gegner die Reparatur des Raumschiffs schon fast beendet hatten.
Auf die Möglichkeit einer Zeitverschiebung würde nicht einmal Simon Jessardin kommen, trotz all seines Scharfsinns. Für einen kurzen Moment glaubte Charru wieder, das schmale, aristokratische Gesicht mit dem kurzgeschorenen Silberhaar und den kühlen grauen Augen vor sich zu sehen und die leidenschaftslose, messerscharf argumentierende Stimme zu hören. Damals, als er in Kadnos gefangengenommen worden war, hatte der Präsident den Barbaren einen Platz innerhalb der Gesellschaft der Vereinigten Planeten als Preis für die kampflose Kapitulation angeboten. Einen Platz, an dem sie Sklaven gewesen wären, eine Welt, in der sie nicht hätten atmen können. Für ihn, Charru, war die einzige Alternative die Hinrichtung gewesen, die Jessardin ohne erkennbare Gemütsbewegung anordnete. Und doch hatte er damals keinen Haß gegen diesen Mann empfinden können. Er handelte nicht aus selbstsüchtigen Motiven, er tat das, was er für seine Pflicht hielt. Er war ein Mensch, der auch seinen Feinden Achtung abnötigte.
Charru verscheuchte die Gedanken, als er Lara aus dem Gleiter half. Auch Hunon war ausgestiegen und reckte die mächtigen Schultern. Er kannte das Schiff bereits, aber sein Anblick erfüllte ihn immer noch mit sichtlichem Unbehagen.
Nacheinander kletterten sie zu der Einstiegsluke hinauf.
Die Beleuchtung brannte - unsichtbar für die marsianischen Wachen. Immer noch wurde unter
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