Söhne der Erde 09 - Die letzten Marsianer
Hochdruck gearbeitet. Aus dem Eingang des Haupt-Frachtraums kamen ihnen Beryl von Schun und Helder Kerr entgegen. Der Marsianer sah blaß und abgespannt aus. Sein Blick wanderte zwischen Hunon und der jungen Venusierin hin und her, und ein alarmierter Ausdruck trat in seine Augen.
»Lara?«
»Ich fliege mit«, sagte sie ruhig.
»Aber...«
»Ich muß, Helder. Hunon war krank, und seine Freunde brauchen vermutlich dringend ärztliche Hilfe wegen der Ernährungsumstellung und den Entzugserscheinungen. Ich halte es für ausgeschlossen, sie überhaupt zu transportieren, ohne daß sie vorher eine Injektion bekommen.«
Kerr schwieg.
Er verstand genug von Medizin, um zu wissen, daß Lara vermutlich recht hatte. Und noch eins wußte er: daß Charru sie ganz sicher nicht mitgenommen hätte, wenn es nicht notwendig gewesen wäre.
»Es wird gefährlich«, stellte er fest. » Ihr müßt aus dem Zeitkanal heraus, und ich sehe keine Möglichkeit, wie ihr ungesehen herauskommen könntet. Hier in der unmittelbaren Umgebung des Raumschiffs ganz sicher nicht. Und auf freier Strecke auch nicht. Als wir hierhergeflogen sind, überwachten die Marsianer jedenfalls noch das gesamte Gebiet mit mobilen Stützpunkten.«
»Das tun sie jetzt auch noch«, bestätigte Charru. »Außerdem dürfte Kirrand seine Leute in erhöhte Alarmbereitschaft versetzt haben...«
In knappen Worten erzählte er, was unterwegs geschehen war. Kerr lächelte flüchtig, als er hörte, daß Lara den bewußtlosen Vollzugspolizisten mit dem verbotenen Rauschmittel beträufelt hatte.
»Armer Kerl. Wenn er nach Scardoval riecht, wird man ihm nicht einmal die Chance geben, sich zu rechtfertigen.«
»Er hätte uns auch keine Chance gegeben«, sagte Lara entschieden. »Ich denke nicht daran, ihn zu bemitleiden.«
»Ich auch nicht.« Kerr zuckte die Achseln. »Aber der Zwischenfall kompliziert die Sache noch zusätzlich. Der Vollzug benutzt Nachtsicht-Geräte. Die mobilen Stützpunkte verfügen über sehr weitreichende elektronische Detektoren.« Er machte eine Pause und runzelte die Stirn, während hinter ihm Camelo und Brass in der Tür des Frachtraumes erschienen. »Unter diesen Umständen wäre es wahrscheinlich sogar günstiger, das Zeitfeld in der Nähe des Raumschiffs zu verlassen«, setzte der Marsianer hinzu. »Männer mit Nachtsicht-Geräten kann man ablenken. Elektronische Detektoren nicht.«
»Ablenken«, wiederholte Beryl gedehnt. »Und wie soll das vor sich gehen?«
Camelo kniff die Augen zusammen.
Er lächelte plötzlich. Und Charru begriff sofort, woran sein Blutsbruder dachte. Sie tauschten einen raschen, funkelnden Blick des Einverständnisses - fast so wie früher, wenn sie als Halbwüchsige in der Welt unter dem Mondstein einen Streich gegen die Wächter an der großen Mauer ausgeheckt hatten.
»Erinnern Sie sich daran, was Ktaramon über den Zeitkanal gesagt hat, Kerr?« fragte Charru. »Daß er ihn erlöschen lassen und an einer anderen Stelle wieder aufbauen kann?«
»Ja...«
»Und Camelo versuchte, sich die praktischen Möglichkeiten vorzustellen, die sich bei diesem Spiel mit der Zeit ergeben könnten. Der Zeitkanal erlischt, ein Mann wird sichtbar, läuft dorthin, wo in diesem Augenblick der Zeitkanal von neuem aufgebaut wird...«
»... und verschwindet wieder«, ergänzte Kerr mit leicht belegter Stimme. »Für die ahnungslosen Beobachter wäre das wie eine Geistererscheinung.«
»Würde es sie ablenken? So ablenken, daß sich zwei Jets unbemerkt in die Gegenrichtung entfernen könnten?«
Kerr zögerte.
Sein Blick streifte Lara, für die er sich immer noch verantwortlich fühlte. Aber er wußte, daß es sinnlos war, sie jetzt, da sie sich einmal entschieden hatte, aus allen Gefahren heraushalten zu wollen.
» ja«, sagte Kerr. »Ich glaube, das würde sie hinreichend ablenken. Wenn es technisch möglich ist. Und wenn Sie sich mit den Unsichtbaren in Verbindung setzen können.«
Kerrs Stimme hatte einen rauhen Unterton, wie immer, wenn er von jenen Fremden sprach. Zu deutlich stand die gespenstische Vision aus der Zukunft des Mars noch vor seinen Augen. Sekundenlang zerfaserte sein Blick, und er biß sich heftig auf die Lippen, während Charru an ihm vorbeiging und auf einen der längst wieder funktionsfähigen Transportschächte zutrat.
Lara wollte ihm folgen, doch Camelo hielt sie zurück. Auch er kannte das Geheimnis des Amuletts nicht, konnte es nur erahnen. Und er verstand, daß die Herren der Zeit ihre Geheimnisse
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