Söhne der Erde 09 - Die letzten Marsianer
die Knie geschlungen, jetzt schob er sich hastig mit dem Rücken an der Wand hoch. Er starrte die Männer an. Dayel und Jarlon mit erschrockenen Gesichtern im Hintergrund. Der Marsianer neben ihnen. Camelo von Landre, Gerinth, Karstein, Gillon - und der Fürst von Mornag.
Charru atmete schnell.
Sein Gesicht wirkte wie versteinert, die Beherrschung, die den lodernden Zorn im Zaum hielt, war nur noch hauchdünn. Bar Nergal starrte in die harten saphirfarbenen Augen. Augen, in denen ein kaltes blaues Feuer brannte - ein Feuer, wie er es schon einmal gesehen hatte, damals, als Arliss von Mornag gestorben war und der junge Fürst mit dem blutigen Schwert in der Faust über die Stufen der Tempelpyramide stürmte.
»Wohin hast du Lyrrios geschickt?« fragte Charru tonlos.
Bar Nergals Blick verschleierte sich.
» Lyrrios?« krächzte er.
»Wohin hast du ihn geschickt? Und mit welchem Auftrag?«
Der Oberpriester schluckte. Unter der schlaffen Haut des Halses bewegte sich der Adamsapfel. Stolz und Furcht stritten in dem gelblichen Greisengesicht. Die Furcht gewann die Oberhand. Er konnte nicht in diese lodernden blauen Augen sehen und zu dem stehen, was er getan hatte.
Seine Stimme vibrierte. »Ich weiß nicht, wovon du sprichst! Ihr habt mich eingesperrt. Ich habe Lyrrios nicht gesehen, ich . .. .«
Mit einem einzigen Schritt stand Charru vor ihm.
Seine Faust zuckte vor, krallte sich hart in den Stoff der roten Robe. Der Priester stöhnte auf, seine Augen weiteten sich vor Schrecken. Mit jeder Faser spürte er die eiskalte Drohung, spürte, daß ihn nur noch ein Hauch von dem Augenblick trennte, in dem der Zorn des anderen explodieren würde.
Charrus Stimme war ein kaltes, tonloses Flüstern.
»Die Wahrheit, Bar Nergal! Ich will die Wahrheit hören, oder ich schwöre dir, daß ich dich töte. Es ist mein Ernst. Diesmal ist es mein Ernst! Du wirst die Wahrheit sagen, oder du wirst ein Schwert nehmen und dein schäbiges Leben verteidigen.«
Der Oberpriester zitterte vor Entsetzen.
»Nein«,,krächzte er. »Nein...«
»Hast du Lyrrios zu den Marsianern geschickt? Hast du ihm aufgetragen, ihnen zu verraten, daß sie die Sonnenstadt ohne Gefahr für sich selbst vernichten können - um den Preis, daß sie euch am Leben lassen? Hast du uns alle, sogar deine eigenen Leute, verraten und verkauft, um deine Haut zu retten?«
»Nein«, wimmerte der Priester. »Nein. Ich...«
Charrus Faust krallte sich immer noch in die rote Robe und preßte den dürren Greisenkörper gegen die Wand. Bar Nergal schlotterte. Er wußte, die Tiefland-Krieger würden die Wahrheit erfahren - spätestens wenn die Marsianer angriffen. Und dann würde ihn nichts mehr retten können.
»Hast du das getan, Bar Nergal?« wiederholte Charru mit einer Stimme, die wie ein Messer durch die Stille schnitt.
»Laß mich am Leben! Du darfst mich nicht umbringen, du...«
»Hast du es getan, Bar Nergal?«
»Ja«, stöhnte der Priester mit geschlossenen Augen.
Ein paar Herzschläge lang wurde es totenstill.
Bar Nergal wagte nicht, die Lider wieder zu heben. Charru kämpfte gegen ein jähes Schwindelgefühl. Hundert Menschen...Ein ganzes Volk, das dieser widerliche Greis kaltblütig dem Tod ausliefern wollte. Auch sein Volk, die Tempeltal-Leute...
Mit einer Bewegung voll eiskaltem Zorn holte Charru aus und schlug dem Priester ins Gesicht.
Bar Nergal schrie auf, taumelte und rutschte an der Wand nach unten. Nackte Angst flackerte in seinen Augen. Eine fast irre Angst, die den letzten Funken von Widerstand erlöschen ließ.
Charru kämpfte gegen das Gefühl, sich die Hände schmutzig zu machen, als er sich vorbeugte und den schlotternden Mann wieder hochriß. Bar Nergals Zähne schlugen aufeinander. Er hatte sich die Lippe zerschnitten, und ein dünner Blutfaden sickerte aus seinem Mundwinkel.
»Was noch?« herrschte ihr, Charru an. »Was soll Lyrrios verraten? Daß wir wehrlos gegen die Laserkanonen sind?«
»Ja«, wimmerte Bar Nergal.
»Daß sie in das Labyrinth eindringen können, wenn sie den Eingang sprengen?«
»Ja...ja...«
»Daß die »Terra« startklar ist? Geschützt von einem Zeitfeld?«
»Nein!« stöhnte der Oberpriester.
Im nächsten Moment schrie er gurgelnd auf, weil ihm der Stoff der roten Robe fast die Luft abschnürte. Charrus Blick bohrte sich wie eine Sonde in die entsetzten Augen.
»Du lügst!« sagte er sehr leise. »Du lügst, um deinen Kopf zu retten.«
»Nein! Nein...Ich schwöre! Lyrrios weiß nichts von dem Raumschiff.
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