Söhne der Erde 09 - Die letzten Marsianer
Ich habe nicht daran gedacht. Ich schwöre...«
Angewidert ließ Charru ihn los.
Er spürte, daß Bar Nergal in diesem Punkt die Wahrheit sagte. Er hatte wirklich nicht daran gedacht, den Marsianern auch das Geheimnis der »Terra« und des Zeitkanals zu verraten. Weil es ihm überflüssig erschien. Weil er glaubte, daß niemand das Schiff je erreichen konnte, daß sie vorher alle sterben würden.
Charru wandte sich ab.
Feine Schweißperlen glitzerten auf seinem Gesicht. In dem Blick, den er den anderen zuwarf, lag immer noch ein Abglanz jener gnadenlosen Härte, die Bar Nergal in einen zähneklappernden Feigling verwandelt hatte.
»Sperrt ihn wieder ein! Und trefft alle Vorbereitungen, das Labyrinth sofort zu verlassen. Ich werde mit Ktaramon sprechen.«
*
Conal Nord hatte sich in die Gäste-Suite im oberen Stockwerk des Regierungssitzes zurückgezogen.
Er grübelte. Seine Nerven waren immer noch aufgepeitscht, er fühlte sich zerschlagen, aber er verzichtete darauf, die Schlafmaske zu benutzen. Unruhig ging er im Zimmer auf und ab, als über den kleinen Monitor neben der Tür Simon Jessardin seinen Besuch ankündigte.
Der Venusier fuhr zusammen.
Das persönliche Erscheinen des Präsidenten um diese Zeit konnte nur bedeuten, daß etwas Entscheidendes geschehen war. Nord straffte sich, als er die Tür öffnete. Ein Blick in das scharfgeschnittene Gesicht unter dem Silberhaar bestätigte seine Befürchtungen.
»Simon! Was ist passiert?«
»Eine Meldung von General Kane.« Jessardins Stimme klang müde. Er blieb mit verschränkten Armen an der Tür stehen. »Einer der Barbaren-Priester ist übergelaufen. Er hat alle Informationen geliefert, die wir benötigen.«
»Was für Informationen?«
Jessardin berichtete. Conal Nord hörte schweigend zu und spürte, wie ihm kalt wurde- eiskalt von innen her. Er begriff sofort, was diese neue Nachricht bedeutete. Es gab nur eine einzige Entscheidung.
»Und?« fragte er dennoch.
Jessardin sah ihn an. »Sie wissen, welchen Befehl ich geben mußte, Conal.«
Der Venusier atmete auf.
Mit jäher Schärfe wurde ihm bewußt, daß er nichts verhindern konnte. Es handelte sich um eine militärische Aktion, die zwar bisher aufgeschoben worden, aber längst beschlossene Sache war. Er konnte weder seinen Einfluß im Rat in die Waagschale werfen noch einen weiteren Aufschub erzwingen, nichts...
»Sie haben Befehl gegeben, die Sonnenstadt zu vernichten«, sagte er tonlos.
»Ja, Conal.«
»Und danach?«
»Wird der Eingang dieses geheimnisvollen Labyrinths mit Energiegranaten aufgesprengt. Mit Rücksicht auf das Leben Ihrer Tochter werden wir den Barbaren eine letzte Gelegenheit zur Kapitulation geben. Falls sie ablehnen...« Er hob die Schultern.
»Kann der Vollzug mit Betäubungsstrahlen vorgehen?«
»Nicht, wenn die Informationen über das Labyrinth zutreffen. Ein Gewirr von Tunneln und verschlossenen Räumen, Conal. Es ist nicht möglich, eine solche Anlage von außen vollständig unter Betäubungsstrahlen zu setzen, das wissen Sie. Und ich kann es nicht verantworten, Vollzugspolizisten da hinunterzuschicken, wenn die Barbaren entschlossen sind zu kämpfen.«
Conal Nord schwieg.
Er wußte, wie die andere Alternative aussah, er hatte den Film über die Aktion gegen die Strahlenopfer aus den Hügeln gesehen. Aus der Hölle, die marsianische Waffen entfesseln würden, konnte niemand entkommen.
»Man wird Ihre Tochter freilassen, Conal«, sagte Jessardin leise. »Auch wenn sich die Barbaren nicht ergeben wollen.«
Der Venusier preßte die Lippen zusammen. »Ja, wahrscheinlich. Ich hoffe es.« Und mit einem Unterton von Bitterkeit: »Erscheint es Ihnen nicht makaber, sich auf die Fairneß von Menschen zu verlassen, denen wir nie eine Spur von Fairneß entgegengebracht haben?«
Simon Jessardin antwortete nicht.
Er hatte sich halb abgewandt. Jetzt blieb er noch einmal stehen.
»Ich werde zur Sonnenstadt fliegen«, sagte er. »Wollen Sie mitkommen?«
Conal Nord nickte nur.
Er fürchtete, was vor ihm lag. Aber er wußte, daß er es nicht ertragen hätte, untätig zu warten.
*
Charrus Rechte umklammerte die schlanke Kristallsäule mit den pulsierenden Lichtströmen.
Diesmal hatte er die Zeitverschiebung und die gespenstische Verwandlung des Raumes kaum wahrgenommen. Sein Blick haftete an Ktaramons hoher, fremdartiger Gestalt, an dem weißen Gesicht mit den schrägen goldenen Augen, in denen so viel übermenschliche Gelassenheit lag.
»Wir wissen, was geschehen wird«,
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