Söhne der Erde 15 - Die Rache Des Mars
und Gillon nahmen den Transportschacht, der direkt zum Kontrolldeck führte. Auch die Computer-Zentrale war besetzt. Alle Systeme wurden ständig überprüft, und wenn es hart auf hart ging, würde die »Terra« sehr schnell starten können.
Draußen in dem stählernen Gang stieß Charru auf Dayel.
Der junge Akolyth mußte dort schon eine Weile warten. Um sich zu rechtfertigen? Oder weil er glaubte, daß sein eigenmächtiges Handeln eine Strafe nach sich ziehen würde, wie sie im Tempeltal unter dem Mondstein vom Gericht der Priester verhängt worden wäre? Die Tiefland-Stämme hatten schon immer nach einfachen Gesetzen gelebt. Wer einen anderen, außer im fairen Zweikampf, tötete oder verletzte, bekam es mit dessen Brüdern, Söhnen oder Freunden zu tun. Wer ohne den Schutz einer Sippe war, hatte Anspruch auf den Schutz des Hauses Mornag. Streitfälle wurden vor dem Rat entschieden, Vergehen gegen die Gemeinschaft von den versammelten Sippen geahndet. Die härteste Strafe hatte darin bestanden, daß der Betroffene aus der Gemeinschaft ausgestoßen wurde. Im allgemeinen wurde er dazu verurteilt, den Schaden wieder gut zu machen. Aber Dayel hatte niemandem Schaden zugefügt.
»Hast du dich nicht vor den Ratten gefürchtet?« fragte Charru ruhig.
»Doch ... ja ...«, stammelte der Junge verwirrt.
»Nur mit einem Schwert!« Charru schüttelte den Kopf. »Es war falsch, das weißt du, nicht wahr?«
Dayel preßte die Lippen zusammen. Seine Augen verrieten, wie schwer es ihm fiel, nicht den Blick zu senken. »Ich fand es nicht falsch. Ich fand, daß Bar Nergal den Tod verdient hat, und ich wußte, daß niemand von euch ihn töten würde. Ich ... ich wollte ihn nicht aus dem Hinterhalt umbringen.«
»Das habe ich gesehen. Du wußtest, daß du nicht mit dem Leben davonkommen würdest, nicht wahr?« Und als keine Antwort erfolgte: »Hast du bedacht, daß wir es nicht zulassen würden? Daß Robin und Jerle die richtigen Schlüsse ziehen würden, wenn sie dein Verschwinden bemerkten, und daß du diejenigen in Gefahr brachtest, die nach dir suchten?«
Dayel biß sich auf die Lippen. »Ich glaubte nicht, daß ihr ...«
Er verstummte. Charru sah ihn scharf an.
»Du glaubtest nicht, daß wir nach dir suchen würden?« vollendete er. »Was hast du dann geglaubt? Wir würden dich so einfach in den Tod laufen lassen?«
»Nein,« flüsterte Dayel. »Ich ... ich habe nicht darüber nachgedacht.«
Charru lächelte matt. »Jeder tut manchmal Dinge, über die er nicht genug nachdenkt. Außerdem weiß ich, daß zum Beispiel mein Bruder oder Jerle schon ganz ähnliche Pläne gewälzt haben. Du wolltest es tun, um damit für den Tod von Shea Orland zu bezahlen, nicht wahr?«
Dayel senkte den Kopf. Seine Schultern zitterten. Charru nickte langsam.
»Ich wußte es,« sagte er ruhig. »Und jetzt hör' mir zu, Dayel. Wir haben dich gerade noch rechtzeitig gefunden, und darüber bin ich froh. Aber es ist der Wille, der zählt, nicht nur die Tat. Du hast für deine Schuld bezahlt. Endgültig und für alle Zeiten. Jetzt mußt du dir endlich selbst verzeihen, und zwar nicht nur um deinetwillen. Denn wenn du es nicht fertigbringst, wirst du niemals ein vollwertiger Mann sein. Und wir brauchen jeden vollwertigen Mann.«
Dayel schluckte hart.
Als er den Blick hob, brannten seine Augen. Charru spürte, daß der Junge begriffen hatte, was er ihm zu erklären versuchte, daß er nun vielleicht aufhören würde, sich als Ausgestoßener zu fühlen. Ein schwaches Lächeln geisterte um seine Lippen. Er wollte etwas sagen, doch das Geräusch der Kanzeltür unterbrach ihn.
Karsteins breitschultrige Hünengestalt füllte den Rahmen aus. Eine steile Falte stand auf seiner Stirn. Mit der gesunden Hand kratzte er in seinem blonden Bartgestrüpp.
»Wirf mal einen Blick durch den Sichtschirm, Charru,« forderte er. »Die Scheinwerfer reichen nicht ganz bis zu der Stelle, wo letztes Mal die Flugzeuge gestartet sind, aber ich glaube ...«
Er brauchte nicht weiterzusprechen.
Das durchdringende Schrillen der Triebwerke, das im gleichen Augenblick einsetzte, drang selbst bis hierher auf den schmalen Flur. Charru lauschte sekundenlang. Seine Schultern verkanteten sich.
»Diesmal geht er zu weit,« sagte er leise. Und während er die Kanzel betrat: »Eine Verbindung zur Gefechtsstation, Katalin! Karstein, du schickst zwei weitere Männer dorthin. Wir setzen die Energiewerfer ein, sobald uns das Flugzeug zu nahe kommt.«
*
Die düsteren, weitläufigen
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