Söhne der Erde 15 - Die Rache Des Mars
Gewölbe schienen erfüllt von leisen Schritten.
Cris wußte, daß es das Platschen der Wassertropfen war, das die Ohren narrte. Die Katzenfrauen bewegten sich lautlos, und das Trippeln und Huschen der Ratten klang anders. Der Junge fröstelte. Er kauerte an Händen und Füßen gefesselt in einem feuchten Winkel. Angespannt lauschte er in die Finsternis, aber offenbar hielt es niemand für nötig, ihn zu bewachen.
Cris ahnte nicht, daß Bar Nergal inzwischen auch den Mann von den Sternen hatte gefangensetzen lassen.
Der Junge starrte in die Dunkelheit. Seine schrägen topasfarbenen Augen waren scharf, nahmen mehr wahr, als es Menschen vermocht hätten, die ihr Leben nicht zum größten Teil in Kellern und Ruinen verbracht hatten. Ein Loch klaffte in der geborstenen Wand, dahinter begann ein Flur, dessen Boden Trümmer bedeckten. Cris fühlte sich plötzlich bedrückt von der Enge der Kellerlöcher, von der feuchten, modrigen Finsternis des unterirdischen Labyrinths. Er hatte das Dorf der Fischer, den Fluß und das grüne Land am Meer schon immer gekannt, doch ihm war nie vorher bewußt geworden, daß es auch für sein Volk ein anderes Leben als das in der toten Stadt hätte geben können. Jetzt schien alles erreichbar, selbst die Sterne. Bar Nergal durfte das Schiff nicht zerstören. Er hatte kein Recht, Menschen umzubringen, die ihm nichts getan hatten, die sich nur ein anderes Leben wünschten als er.
Cris lehnte den Kopf zurück und stieß ein leises melodisches Pfeifen aus.
Das Trippeln und Rascheln auf den Gängen näherte sich. Der Junge lächelte, als der große graue Schatten der mutierten Ratte in dem Mauerloch erschien. Spitze Ohren spielten, rote Augen glommen in der Dunkelheit. Witternd berührte das Tier Cris' Arm mit der Schnauze und versuchte, den Kopf an seiner Schulter zu reiben.
»Skeeta,« murmelte er. »Skeeta ...«
Mühsam stieß er sich von der Wand ab und ließ sich nach vorn fallen. Eine Kette leiser, fauchender Laute kam über seine Lippen. Die Ratte wurde unruhig, witterte das Blut von den kaum verschorften Peitschenstriemen. Cris spürte die Berührung des weichen Fells, das über seine Hände streifte, über die Arme, über die Fesseln an den Gelenken.
Mit verzweifelter Kraft zerrte er an den Stricken und bäumte sich auf.
Drei-, viermal versuchte er es, keuchend, wieder und wieder gedämpfte, lockende Laute ausstoßend. Er hoffte, das Tier werde sehen, warum er nicht aufstehen konnte. Skeeta gehörte ihm, er hatte sie dressiert, sie gehorchte niemand anderem. Deutlich spürte er die wachsende Erregung der Ratte, spürte immer wieder die spitze Schnauze, die ihn anstieß, damit er sich erhob. Er tat, als bemühe er sich darum, ließ sich zurückfallen und bewegte die Arme. Erneut streifte das weiche Fell seine Haut - und jetzt fühlte er das erste leichte Zupfen an den Stricken.
»Skeeta ... Skeeta ...«
Seine Stimme wurde sanft, er murmelte all die beruhigenden Worte, die er auch bei der Dressur benutzte. Die Stricke schnitten schmerzhaft in sein Fleisch, als die scharfen Zähne der Ratte daran zerrten. Hanffasern zerrissen, gingen Stück für Stück in Fetzen, und dann, mit einem letzten Ruck, hatte Cris die Hände frei.
Aufatmend stemmte er sich hoch und begann, die Fesseln an seinen Füßen aufzuknüpfen.
Minuten später huschte er geduckt durch den Gang, die Rechte im gefleckten Nackenfell der Ratte vergraben. Er kannte den Keller, brauchte nur wenige Schritte, um die Treppe zu erreichen und in die Ruine hinaufzusteigen. Lauschend blieb er stehen, als er das anschwellende Heulen hörte. Die Flugzeuge starteten. Warum? Bar Nergal und der Mächtige von den Sternen hatten doch gesagt, es sei unmöglich, die »Terra« mit Bomben anzugreifen. Vielleicht, dachte Cris, wollten sie die Menschen in dem Raumschiff nur erschrecken.
So lautlos wie möglich huschte er weiter.
Ab und zu rief ein kaum wahrnehmbarer Pfiff die Ratte an seine Seite. Cris blieb im Schatten von Mauern und Schuttbergen, tauchte manchmal für kurze Zeit wieder in die Keller hinab und näherte sich dem Raumhafen in einer Schlangenlinie, die nur der Eingeweihte als schnellste und sicherste Verbindung erkennen konnte.
Den Weg hätte der Junge auch im Schlaf gefunden.
Seine Ohren dröhnten vom Lärm der Flugzeuge, und als er schließlich den Rand des Ruinenfeldes erreichte, mußte er die Augen zusammenkneifen. Gleißendes Licht riß eine helle Insel rings um das Raumschiff aus der Finsternis. Eine ähnliche
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