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Söhne der Luna 2 - Die Braut des Wolfes

Söhne der Luna 2 - Die Braut des Wolfes

Titel: Söhne der Luna 2 - Die Braut des Wolfes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lara Wegner
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ein Netz, auf das sie mit dem Dolch einhieb. Von allen Seiten kam es. Je heftiger sie dagegen anging, desto undurchdringlicher legte es sich um sie. Stumm kämpfte Berenike weiter, dachte nicht an einen Hilferuf oder Flucht. Ihre Raserei war viel zu groß, um überhaupt zu denken. Da ihr rechter Arm von einem Gespinst aus weißen Fäden behindert wurde, schlug sie mit links zu. Ihre gekrümmten Finger kratzten durch ein Gesicht ohne Augen, hieben in eine Wolke aus Asche. Über und über war sie bedeckt von einer hellen Schicht aus Fäden. Eine Motte flog in ihren Mund. Angewidert von dem Geschmack aus Fäulnis und Zerfall spuckte sie aus. Etwas davon rann ihre Kehle hinab und brachte sie zum Würgen. Sie ging zu Boden, verpuppt in einen Kokon wie eine Raupe in ihrer Larve. Die Fäden lösten sich von ihrer Kleidung, gaben ihr Gesicht frei. Es blieb genügend Platz, sich ein Mal um sich selbst zu drehen, doch gleichgültig, wohin sie sich wandte, sie war umgeben von Grau. Dünn genug, um etwas von der Außenwelt zu sehen, aber zu stabil, um sich daraus zu befreien.
    „Ihr gottverdammten … was immer ihr seid!“, schrie sie, als sie angehoben wurde.
    Manchmal schienen es Hände zu sein, die sie trugen, dann wieder ein Mottenschwarm, der sie knapp über dem Boden hielt. Sie hatte keine Ahnung, was diese Wesen waren, woraus sie bestanden, woher sie kamen. Permanent wandelten sie sich. Die Falle, in der sie steckte, war so beengend und massiv, dass ihr Sehfeld schrumpfte und sie in eine Starre fiel.
    Wie lange ihre Lähmung währte, konnte Berenike nicht abschätzen. Als sie wieder klar denken und deutlicher sehen konnte, waren ihre Widersacher verschwunden. Behutsam bewegte sie Arme und Beine, drehte den Kopf. Hellwach und unverletzt orientierte sie sich. Ihr Kokon hing von der Decke eines niedrigen Gewölbes. Durch das Webwerk war feuchtes Mauerwerk zu erkennen. Es musste eine Kerkerzelle sein. Vielleicht war es sogar der Carcer Tullianum. Alt genug sah es aus, um einst die Gefangenen römischer Feldherren beherbergt zu haben. Über dem Tullianum befand sich die Kirche San Giuseppe dei Falignami. Zu wissen, wo sie war, erfüllte sie mit Zuversicht.
    Der Dolch lag noch immer in ihrer Hand. Der Griff warm, die Schneide scharf. Berenike packte ihn fest und schlug die Waffe in das Gespinst. Minimal gab es nach und wurde sodann hart, wie Kalkstein, über den die Klinge schabte. Eine feine Rille blieb zurück. Wieder trieb sie die Dolchspitze in den Kokon. Unter der Wucht ihres Hiebes wäre beinahe die Klinge gebrochen.Fassungslos gab sie es auf. Was war das für ein Material, in dem ihr Rücken versank wie in einem Nest aus Wolle und das gleichzeitig hart genug war, um der Kraft einer Lamia standzuhalten? Sie kratzte und stocherte in dem Gewebe, dessen unschuldiges Weiß über die tödliche Falle hinwegtäuschte. Sie wollte raus! Eine verzagte Stimme ließ sie innehalten.
    „Ist da jemand? Kann mich jemand hören? Helft mir!“
    Berenike drückte die Stirn gegen das Gespinst. Direkt ihr gegenüber entdeckte sie ein Schemen. Ebenso hell wie das ihre, hing es wie ein überdimensionales Ei von der Decke.
    „Ich bin hier.“
    „Gelobt sei Jesus Christus!“
    Dem Ausruf nach war eine Nonne in dieselbe Falle geraten. Das war nicht logisch. Welche Verbindung konnte es zwischen einer Lamia und einer Braut Christi geben? Es musste eine geben, irgendeine Gemeinsamkeit, die sie beide in dieses Loch geführt hatte. Die Welt bestand aus Zusammenhängen, nicht aus Zufällen.
    „Wer bist du?“
    „Ich bin Saphira di Mannero.“
    Dreimal verdammt! Sie steckte in einer Kerkerzelle mit der Gefährtin von Tizzio di Mannero und konnte der Wölfin nicht an die Kehle gehen. Wenn das kein Pech war.
    „Und wer bist du?“
    Auf eine Antwort konnte Saphira lange warten. Berenike dachte nicht daran, ihre Identität zu verraten. Es wäre ein Eingeständnis, dass eine Lamia ebenso dumm wie eine Rudelwölfin war.
    „Ich wurde überfallen und verschleppt. Von wem kann ich nicht sagen. Sie kamen von allen Seiten. Motten, Asche, dazwischen Menschen, obwohl es wohl keine Menschen waren.“
    „Es sind die Larvae.“
    Damit konnte Berenike nichts anfangen. „Wer sind sie?“
    „Die Seelen der Verfluchten. Wir kommen hier niemals lebend raus.“
    Niemals war für eine Lamia ein dehnbarer Begriff. Eine Ewige befasste sich nicht mit Gedanken an den Tod.
    „Verfluchte Seelen? Ist das ein Aberglaube?“
    „Nein. Es ist ein Fluch, den die Hexen einst

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