Söhne der Luna 2 - Die Braut des Wolfes
Inneren. Wollte ausgefüllt werden und sich in ihm verlieren. Achtlos stopfte sie die Reste ihrer Mahlzeit in die Manteltasche und machte sich daran, die steilen Treppen zu ihm hinabzusteigen. Tizzio machte ihr Vorhaben zunichte. Er kam ihr entgegen und brüllte durch das Kolosseum.
„Sammelt euch! Hier ist nichts.“ Er fixierte sie. Frustration grub tiefe Kerben in seine Stirn und um die Augen. „Ebenso wenig wie in all den anderen Ruinen, durch die wir uns gewühlt haben. Uns fehlt jeder Anhaltspunkt. Selene findet nichts, wir finden nichts. Es ist zum aus der Haut fahren. An diesen Stätten wurde bereits gegraben und geforscht, die Menschen haben längst alles entdeckt, was es zu entdecken gibt. Kein Fluch kann so weit in die Vergangenheit reichen. Du hast dich geirrt, Aurora. Deinetwegen haben wir wieder einmal Zeit verschwendet und allmählich glaube ich, es liegt in deiner Absicht.“
„Lass sie zufrieden“, grollte Ruben und gesellte sich zu ihnen.
„Sicher, behandel sie ruhig mit Samthandschuhen. Wir kriechen durch Trümmer, wenden einen Stein nach dem anderen um und haben außer Würmern und Asseln nichts gefunden. Auf die Larvae müssen wir uns konzentrieren. Nur sie können uns zuihrem Unterschlupf führen.“
„Den Carcer Tullianum haben wir noch nicht aufgesucht“, sagte Aurora.
„Was soll in diesem kleinen, verfallenen Kerker schon sein? Er liegt direkt unter einer Kirche. Tag für Tag gehen Leute darin zur Messe. Sie hätten längst mitbekommen, wenn unter ihren Füßen etwas zuginge.“
„Die Christen haben keinen Grund, in den Carcer hinabzusteigen. Wir sollten keine Möglichkeit auslassen.“
„Du jedenfalls wirst nach Hause gehen. Einer vom Rudel wird dich begleiten. Es wird bald dunkel.“
Die Dominanz eines Alphawolfes war Aurora hinreichend vertraut. Wie Tizzio hielt Ruben sein Wort für ein ungeschriebenes Gesetz, obwohl er es freundlicher formulierte. Von Widerspruch ging er gar nicht erst aus. Einerseits zog sie es vor, bei Einbruch des Abends innerhalb sicherer Wände zu sein. Andererseits widerstrebte es ihr, herumgescheucht zu werden.
„Ich möchte mitkommen. Den Tullianum haben wir bisher außer Acht gelassen. Dort müssen sie einfach sein. Ich bin sicher, dass ich recht behalten werde und wir sie finden.“
„Das fällt dir jetzt ein?“, brauste Tizzio laut auf. „Warum hast du es nicht früher gesagt? Wir hätten gleich zum Tullianum gehen sollen. So dämlich kann keine andere Hexe sein!“
„Nenn sie nicht dämlich“, feuerte Ruben zurück.
„Woher sollte ich es wissen? Ich kann nicht in die Zukunft blicken. Da sie nirgends sonst sind und ich mich eben nicht irre, müssen sie im Tullianum sein. Das ist ein logischer Schluss.“
„Und nachdem du ihn getroffen hast, gehst du nach Hause“, setzte Ruben hinzu.
Sie reckte den Hals und hob sich auf die Zehenspitzen, um mit ihm auf Augenhöhe zu gelangen. Endlich einmal ergab ihr hoher Wuchs einen Sinn. Sie haderte nicht länger damit, alle anderen Frauen zu überragen wie ein sprießender Salatkopf unter lauter niedlichen Petersiliensträußchen.
„Das werde ich nicht. Noch entscheide ich, wohin ich gehe und wann. Ich bin kein Knochen, den du nach Belieben herumschleifen kannst, Signore de Garou.“
Aus verengten Augen taxierte er sie. Letztendlich gab er nach. Tizzio sammelte mit einem schrillen Pfiff sein Rudel um sich. Ihr kleiner Trupp verließ das Kolosseum. Auf dem Weg zu ihrem letzten Ziel blieb Ruben mit Aurora hinter den anderen zurück.
„Du untergräbst meine Autorität vor anderen.“
„Ich bin keine Rudelwölfin, die auf dein Wort pariert, Ruben.“
„Du bist auch keine Alphawölfin.“
Das klang, als sei es diesen jederzeit gestattet, ihre eigenen Beschlüsse zu fassen. „Ich bin eine Strega. Meine Hexengilde ist eine sehr alte. Für dich mag ich wie eine normale Sterbliche aussehen, aber das bin ich nicht. Ich bin ebenso besonders wie eine Alphawölfin. Mindestens.“
„Besonders halsstarrig und neuerdings stark von dir eingenommen. Keine Alpha würde so viel Unvernunft an den Tag legen, nur um ihren Willen durchzusetzen.“
„Ich mag es nicht, wenn du mich anknurrst.“
Er knurrte weiter. „Dann lassen wir uns eben von den Larvae erwischen. Erfahrung im Davonlaufen haben wir schließlich. Sollen sie uns noch einmal durch Rom hetzen. Verbringen wir eine weitere Nacht zwischen Knochenschädeln auf kaltem Boden. Mir macht die Kälte nichts aus.“
Sie verlangsamte ihre Schritte
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