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Sohn Der Nacht

Titel: Sohn Der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steven Spruill
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Ned die war ausgesprochen erdverbunden, eine große, schlanke Frau mit einem gütigen Lächeln und einem sanften Cajun- Akzent, die sich in jener konservativen, geschmackvollen Art kleidete, die man im Büro irgendeiner Kleinstadt erwarten würde. Beim Mittagessen, als sie noch keine versteckten Blicke auf Merrick geworfen hatte, hatte sie Katie interessierte Fragen über ihren Arztberuf gestellt.
    »Ich helfe beim Abwasch«, erbot sich Merrick.
    »Nein, geh und spiel lieber mit Gregory«, sagte Katie.
    Es vermittelte ihr ein warmes Gefühl, ihre Stimmen zu hören, Merricks sanften Baß und Gregorys piepsigen Sopran. Als sie einen Stapel gutriechender, aber schmutziger Teller in die Küche trug, klingelte das Telefon an der Wand. Sie setzte das Geschirr ab und nahm den Hörer auf. »Katie O'Keefe.«
    »Doktor, hier ist Desmond White. Ist Lieutenant Chapman da?«
    Etwas in seiner Stimme ließ sie ein Zittern schlimmer Vor ahnung verspüren. »Ja, bleiben Sie dran.«
    Sie beobachtete Merricks Gesicht, und als sie hörte, wie flach und hart seine Stimme wurde, wußte sie, es war etwas Unangenehmes. Das fröhliche Klappern an der Spüle hinter ihr verebbte zur absoluten Stille. Er muß gehen, dachte sie, und die ganze Wärme dieses Abends floh dahin.
    Als er einhängte, zeigte sein Gesicht einen energischen Ausdruck.
    »Es hat einen weiteren Mord gegeben«, sagte sie.
    Er nickte. »Wieder eine Kirche. Eine junge Frau, auf der Kanzel abgelegt, wie zuvor.«
    »Oh, nein«, flüsterte Mom hinter ihr.
    Katie blickte ihn schmerzerfüllt an. »Und die Polizei hat mich hier bewacht. Ich wünschte, sie wären bei ihr gewesen, wer immer sie war.«
    Merrick faßte sie bei den Schultern. »Er hätte einfach irgend jemand anderen getötet...« Er ließ den Satz unvollen det, aber sie wußte, was er dachte - nicht irgend jemand ande ren, Katie - dich.
    Mit Mühe ließ sie ihre Stimme fest klingen. »Du musst gehen, Merrick. Wir waren uns ja in diesem Sinne einig, als ich dich bat, hierzubleiben. Uns wird es hier an nichts fehlen. Wir haben die Gitterstäbe und das neue Alarmsystem.«
    »Ich bin so schnell zurück, wie ich kann.«
    Katie küßte ihn auf die Wange und spürte die straffen Mus keln unter seiner Haut. Mit einem Nicken in Richtung Mom und Neddie eilte Merrick hinaus. Vom Vorderfenster aus beobachtete sie ihn, bis sein Wagen am Ende der Straße ver schwand. Einer der Männer im Streifenwagen winkte ihr zu und sie fühlte ein wenig Sicherheit. Merrick würde sich beei len, und sie war nicht allein.
    Sie ließ den Vorhang wieder zurückfallen und führte eine Finger an dem Draht entlang, der an der Ecke des Fenster befestigt war. Ihre Mutter hatte eine Menge Geld ausgegeben, um das Alarmsystem ohne jede Verzögerung installieren zu! lassen. An beiden Türen und an jedem Fenster rundum ange bracht, vermittelte es wenigstens das Gefühl einer zusätzlichen Sicherheit. Wenn jetzt ein Eindringling Glas zerbrach oder aufschnitt, wie in der vergangenen Nacht, oder ein Fen ster oder eine Tür einschlug, würde ein lauter Alarm erklin gen...
    Und wenn der dann vorüber ist?
    Katies Knie wurden weich, und sie" lehnte sich ängstlich gegen das Fenster; sie war schon müde, so schrecklich müde. Sie konnte fast das Brennen des verbrauchten Adrenalins in
    ihrem schmalen Rücken spüren. Es hatte zuletzt zu viele Schocks gegeben, die sie auf die Gipfel wilder Energie geschleudert hatten, von denen man ebenso schnell wieder hinunterfiel - in tiefe Täler der Müdigkeit. Sie konnte sich ein fach nicht mehr entspannen. Irgend etwas lauerte dort drau ßen, eine unheimliche Kreatur, die sie und Gregory verletzen wollte. Sie mußte jetzt in jeder Minute hellwach sein.
    Ich brauche irgend etwas. Etwas Dex oder Ritalin ...
    Katie riß sich von dem Gedanken los, schockiert über die Macht der Versuchung. Wie konnte sie so sehr danach verlan gen, wo doch die physische Abhängigkeit schon vor Jahren überwunden war? Das alles spielt sich jetzt nur noch in dei nem Kopf ab, dachte sie, weil du unter Streß stehst. Hör also auf, daran zu denken.
    Sie hörte Gregory im Wohnzimmer leise jammern. Unter einem Schub von Angst wandte sie sich vom Fenster ab, und dann verwandelten sich Gregorys weinende Laute in enthu siastisches Krakeelen, und sie merkte, daß er nur spielte. Sie trat zur Wohnzimmertür und beobachtete ihn. Er ließ zwei seiner Teddybären miteinander kämpfen, schlug sie gegeneinander und unterstrich das ganze mit quietschendem Stöhnen

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