Soko Mosel
Westen hinauf. Die Maglite ließ er im Anorak, an Dunkelheit war er gewöhnt. Er hatte Jahre seines Lebens in Bunkern tief unter der Erde verbracht. Oben erreichte er ein grob planiertes Gelände. Zwischen hohem Unkraut und Hecken bahnte er sich einen Weg. Der Boden war mal matschig, mal knirschte Kies unter seinen Schuhen. Der rötliche Widerschein an den tief hängenden Wolken zeigte ihm die Richtung zum Industriegebiet.
Die angestrahlten Gebäude der FARMERS-Fabrik tauchten vor ihm auf. Bis zum Zaun musste er durch eine Hecke schlüpfen und dann noch wenige Meter Wiesengelände überqueren, welches so gut wie keine Deckung bot. Hinter dem Metallzaun ragte eine riesige Halle vor dem Nachthimmel auf. Eine Laderampe erstreckte sich fast über die gesamte Länge des Gebäudes. Die Tore dahinter waren geschlossen. Vom Dach strahlten grelle Scheinwerfer auf die Rampe und das Gelände bis zum Zaun. Rechts standen Eisenbahnwaggons mit Containern.
Lorenz wartete eine Weile, bis er sich vorsichtig auf allen Vieren auf den Zaun zubewegte. Zwischen dicken Büscheln aus vertrockneten Halmen aus dem letzten Jahr sprießte frisches Grün. Immer wieder hielt er inne. Auf dem Gelände rührte sich nichts.
Er nahm das Päckchen aus der Tasche und robbte noch näher an den Zaun heran. Da sah er die beiden Wachleute. Sie kamen schnellen Schrittes von rechts. Lorenz drückte seinen Körper tief ins Gras und schob ihn vorsichtig rückwärts. Die Männer leuchteten mit ihren Taschenlampen zwischen die Waggons. Einer führte einen Hund an der Leine. Lorenz zog sich die Kapuze des Parkas über den Kopf. Der Wind wehte vom FARMERS-Gelände. Der Hund schlug an. Lorenz spürte, wie die Zweige der Hecke in seine Hosenbeine rutschten und den Stoff bis zu den Knien zurück schoben. Die Haut an seinen Schienbeinen schmerzte. Ein Lichtstrahl huschte über Lorenz hinweg.
»Harras aus! Sitz! Ja, so ist es brav.«
»Da ist nur irgendein Vieh«, hörte er einen Wachmann sagen.
»Guck mal, da liegt doch was!«
Lorenz zuckte zusammen.
Die beiden Wachleute hatten ihre Taschenlampen auf das Päckchen auf der anderen Seite des Zauns gerichtet.
»Das ist nur Müll.«
»Egal, du weißt, was der Chef gesagt hat, über den Verrückten, der hier die Päckchen über den Zaun wirft.«
»Aber das da liegt draußen.«
»Egal, das melden wir, denk an Mathey!«, der Sprecher ergriff sein Funkgerät.
Sobald sie abgezogen waren, robbte Lorenz zu dem Päckchen und schleuderte es über den Zaun.
»Ungeordneter Rückzug«, murmelte er und huschte in gebückter Haltung durch die Hecke. Auf der anderen Seite lief er, so schnell es das Gelände und die Lichtverhältnisse zuließen. Ein Motor heulte auf. Lorenz schaute sich um. Ein schwerer Wagen mit Suchscheinwerfern auf dem Dach fuhr außen am Zaun entlang. Lorenz blieb mit einem Fuß hängen und stürzte. Er erinnerte sich an die Anweisungen beim Bund: Immer nur eins von beiden, entweder die Lage peilen oder laufen.
Scheinwerfer blitzten auf. Der Wagen steuerte vom Zaun auf das verwilderte Gelände zu. Mit hoher Geschwindigkeit schoss er durch Büsche und Gestrüpp. Lorenz blieb liegen, wo er gestürzt war. Immer wieder huschten Lichtkegel über ihn hinweg. Dem Fahrer schien es sichtlich Spaß zu bereiten, das Gelände zu durchpflügen. Plötzlich war das Motorengeheul ganz nah. Reifen drehten auf Kies durch, überfuhren krachend Äste und schleuderten den Matsch in die Höhe. Lorenz rollte sich in Embryohaltung zusammen und schloss die Augen. Der Fahrer gab Vollgas. Lorenz schlug die Hände vor das Gesicht. Der Boden unter ihm bebte. Die Reifen schossen nur Zentimeter an seinen bis zu den Oberschenkeln angezogenen Füßen vorbei. Der Wagen entfernte sich in Richtung Flugplatz.
*
»An der Packung wurde eindeutig manipuliert«, FARMERS-Boss Jürgen Hollmann schob einen durchsichtigen Plastikbeutel über den Besprechungstisch.
Walde hielt die Schachtel gegen das Fenster ins Licht. Draußen setzte ein Learjet auf der Landebahn des kleinen Sportflugplatzes auf.
»Da ist er ja schon, der Herr van Bodesandt aus Lüttich.«
»Herr van Bodesandt?«, wiederholte Walde.
»Patrick van Bodesandt vertritt die Familie. Sie besitzt einundfünfzig Prozent des Konzerns. Er ist gleich von Lüttich herübergeflogen. Daran sehen Sie, wie ernst die Angelegenheit genommen wird.«
»Ihre Wachleute haben letzte Nacht etwas bemerkt?«
Walde war ans Fenster getreten und sah, wie zwei Männer und eine Frau neben dem Flugzeug
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