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Sokops Rache

Sokops Rache

Titel: Sokops Rache Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Birgit Lohmeyer
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krampft sich zusammen. Blitzschnell versucht er, die Situation abzuschätzen. Weiß der andere, wer er ist? War sein Verhalten ihm gegenüber, das Angebot von Wohnung, Job und Tochter Theater? Aber weshalb? Was hat er vor? Einen verrückten Moment lang ist ihm, als hätte der andere denselben Plan verfolgt, wie er selbst, den Widersacher von der  Niobe  aus ins Wasser zu werfen. Oldenburgs lautes Lachen kappt seinen Gedankenstrom.
    »Ich habe nicht herausbekommen, wer du bist, aber dass Brandt nicht dein richtiger Name ist, steht fest.«
    Beinahe so etwas wie Erleichterung überschwemmt Henry.  Tarnung aufgeflogen, Rückzug angesagt.  Kein Grund, zu bleiben. Es ist also entschieden. Er achtet nicht auf Oldenburgs Worte, versucht nur, für sich den richtigen Zeitpunkt zum Gehen zu finden, hofft, ohne zu torkeln, ohne irgendetwas umzureißen, erst den Raum und dann dieses Haus verlassen zu können.
    »Jeder hat seine Leichen im Keller liegen. Du kannst mir glauben, ich weiß, wovon ich rede.« Oldenburg lacht bitter. »Ich werde dir jetzt etwas erzählen, das ich noch nie jemandem erzählt habe.« Er wirft Henry einen prüfenden Blick aus seinen dunkelrot unterlaufenen Augen zu. Ein Speichelfaden zittert in seinem Kinnbart. Er ist schwer betrunken und scheint trotzdem von einer seltsamen Klarheit durchdrungen. Henry nimmt seine Brille ab, streicht sich mit der Hand über das Gesicht, über die Haare, versucht, seine eigene Trunkenheit zu überwinden. Er will nichts hören, sich nicht als Beichtvater missbrauchen lassen. Doch wie festgenagelt bleibt er sitzen, energielos, schwach und hilflos.
    »Weißt Du, ich hatte gleich nach der Wende einen tollen Wagen. Mein erster Mercedes! Ein 500er. Es lief geschäftlich zwar schon gut bei mir, damals, aber der Kauf dieses teuren Autos war wirtschaftlich völlig unvernünftig und für mich etwas ganz Besonderes. Und nach keinem halben Jahr wurde er mir geklaut. Die Polizisten haben nur mit der Schulter gezuckt. Da habe ich einen Detektiv beauftragt, herauszufinden, wohin der Mercedes geschafft worden war. War ja recht auffällig: metallic-gold lackiert, weißes Leder innen. Der Detektiv hat mir den Tipp gegeben, mich bei dem Händler umzusehen, bei dem ich ihn gekauft hatte. Nun stell es dir vor: Ich komme bei dem auf den Hof und mein Wagen steht da! Ich stelle den Herrn zur Rede, ein Wort gibt das andere und dann hat der plötzlich eine Pistole in der Hand. Das lasse ich mir doch nicht bieten, erst beklaut der mich, dann bedroht er mich auch noch. Ich werde fuchsteufelswild, habe in dem Moment die Pistole gar nicht ernst genommen. Wir rangeln, ich will ihm die Waffe wegnehmen und …« Oldenburg, der bis hierhin beinahe atemlos erzählt hat, so als berichte er von einem spannenden Film, den er gesehen hat oder von einer Wildschweinhatz mit Jägerkollegen, stockt und sucht nach Worten.
    Henry Sokop umkrampft mit eiskalten Fingern die Armlehnen des Stuhls, auf dem er sitzt. Seine Abneigung, der Widerwillen gegen sein Gegenüber sind zu einem traurigen Klumpen Unwillen geschmolzen. Sein Herz pocht ängstlich. Ein Teil von ihm will nicht hören, was nun folgt. Der andere Teil von ihm schreit nach Gewissheit.
    »Es hat sich plötzlich ein Schuss gelöst.« Oldenburgs Stimme klingt verzagt wie die eines Kindes. »Der Mann war tot, das sah ich sofort. Es hätte nichts genützt, einen Krankenwagen zu rufen, verstehst du? Ich stand da, wie erschlagen. Den Knall des Schusses noch in den Ohren, in der Luft Pulvergestank. Ich war benommen, meine Gedanken überschlugen sich.« Er verbirgt das Gesicht in den Händen und spricht mit gedämpfter Stimme weiter. »Es war ein Unfall, verstehst du? Doch keiner hätte mir das geglaubt. Ich musste an Nicole denken, an unsere Firma. Es hätte niemandem genützt, wenn ich meine Schuld gestanden hätte. Der Mann war tot.« Er nimmt die Hände vom Gesicht, blinzelt Henry mit feuchten Augen an. »Verstehst du das? Verstehst du, wie schwer ich daran trage, nie die Verantwortung für diesen tragischen Unfall übernommen zu haben?«
    Das Messer, das seit heute Nachmittag in Henrys Herz steckt, wird noch einmal herumgedreht. Er begreift, dass das, was auf dem Boot geschehen ist, sein Versagen, nicht das Schlimmste ist. Er hat fünfzehn Jahre seines Lebens verloren, ist als Mörder gebrandmarkt worden für etwas, das ein Unglücksfall gewesen ist. Doch soll er darüber etwa froh sein? Macht es denn einen Unterschied? Es ist absurd. Er sitzt dem Mann

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