Solang die Welt noch schläft (German Edition)
Allerdings müssten wir dann gleich hier und heute unser nächstes ›Rendezvous‹ ausmachen. Die Banken sitzen meinem Vater ziemlich im Genick, er wäre überglücklich, wenn ich mit einer positiven Nachricht daherkäme.«
Isabelle zuckte mit den Schultern. Als ob sie das etwas anging! Das Einzige, was sie interessierte, war, ihrem Vater ein Schnippchen zu schlagen. »Sag mir einfach, wann und wo.«
»Ich habe gehört, du bist genau wie meine Schwester Irene dem Velofahren gegenüber nicht abgeneigt? Wie wäre es, wenn du mich Anfang des neuen Jahres in meinen Radfahrverein begleitest? Während meines Studiums hatte ich nur selten die Gelegenheit, Velo zu fahren. Nun kann ich es kaum erwarten, wieder aufs Rad zu steigen. Du könntest mir beim Training zusehen. Dann wäre die Zeit nicht ganz verplempert.«
Er betrachtete Zeit mit ihr als verplempert? Einen Moment lang ärgerte sich Isabelle über seine Wortwahl, doch dann überwog ihre Freude, ihrem Vater eins auswischen zu können.
»Ich schaue dir voller Bewunderung zu, wie du mit dem Velo fährst?«, wiederholte sie spöttisch. »Das wäre genau etwas in der Art, was brave zukünftige Ehefrauen machen. Und somit perfekt für unsere Zwecke!«
Arm in Arm verließen sie eine halbe Stunde später das Tortencafé. Adrian Neumann führte Isabelle zu einer der Sektbars und bestellte dort statt Sekt eine ganze Flasche feinsten Champagner.
»Auf unser Abkommen!«
Isabelle strahlte ihn an. »Auf uns!«
13. Kapitel
Tee und Gebäck? Oder doch lieber garnierte Schnittchen und ein Glas Wein aus den roten Pokalen? Über diese Frage hatte Sophie Berg den ganzen Tag lang nachgedacht. Schließlich kam es nicht allzu oft vor, dass ein Herr Doktor sie besuchte. Dazu noch der Nachfolger von Doktor Fritsche – Gott hab ihn selig!
»Wir müssen uns um ein gutes Verhältnis mit dem Neuen bemühen, schließlich sollen auch seine Patienten ihre Medizin bei uns kaufen, so wie die vom alten Fritsche«, hatte ihr Mann Anton beim Frühstück gemahnt. Wie typisch für ihn – wieder einmal hatte er nur seine Apotheke im Kopf gehabt. Dann hatte er noch hinzugefügt: »Außerdem müssen wir dankbar sein, dass sich überhaupt jemand gefunden hat, der bereit ist, die in die Jahre gekommene Praxis zu übernehmen. Die Leute im Viertel brauchen einen richtigen Arzt, ich kann ihnen einen solchen auf die Dauer nicht ersetzen.«
Vor allem konnte Anton seiner Tochter auf Dauer nicht den Arzt ersetzen, dachte Sophie Berg, während sie ihre elegant gedeckte Tafel bewunderte. Clara war so zart, so zerbrechlich … Bei dem Gedanken, dass ihre Tochter in der Apotheke täglich Kontakt mit Kranken hatte, wurde Sophie ganz nervös. Was, wenn sich Clara mit einer heimtückischen Krankheit ansteckte? Anton und seiner Medizin würde sie in einem solchen Fall gewiss nicht vertrauen – es ging schließlich nichts über ärztlichen Beistand, und das, wenn es sein musste, zu jeder Tages- oder Nachtzeit. Sophie Berg war allein aus diesem Grund daran gelegen, ein gutes Verhältnis zu dem neuen Herrn Doktor aufzubauen.
Es war vielleicht doch richtig, dass sie sich für Tee und Gebäck entschieden hatte. Womöglich gehörte der Herr Doktor zu der in Berlin stetig wachsenden Gruppe der Abstinenzler, die sich gegen Alkoholgenuss in jeder Form aussprachen. Ein paar dieser Damen und Herren hatten sogar schon mit Plakaten vor der Apotheke gegen den Verkauf von Franzbranntwein demonstriert, man stelle sich das vor! Sophie Berg, die einem Gläschen Likör nicht abgeneigt war, hatte kopfschüttelnd vom Fenster im ersten Stock aus zugesehen.
Zum wiederholten Male wanderte ihr Blick in Richtung der Standuhr, die sie zusammen mit dem Haus und der Apotheke von Antons Eltern übernommen hatten. Sophie hasste das große hässliche Möbelstück, musste aber zugeben, dass es in all den Jahren nie seinen Dienst verweigert hatte. Drei Uhr am Nachmittag. Um Punkt sechs wollte Anton die Apotheke für heute abschließen, Doktor Fritsches Nachfolger hatte sich für halb sieben angesagt. Sophie strich eine unsichtbare Falte aus ihrem grauen Kostüm. War es dem Anlass entsprechend? Oder sollte sie doch lieber das dunkelblaue Kleid im Marinestil wählen? Und gehörte nicht wenigstens die Karaffe mit Eierlikör auf den Tisch? Was wohl Clara dazu meinte?
»Clara? Clara!«
Als es Punkt halb sieben an der Tür klingelte, sprang Clara hektisch auf, um den Gast einzulassen. Endlich!
Den ganzen Tag über hatte ihre Mutter sie immer
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