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Solange am Himmel Sterne stehen

Solange am Himmel Sterne stehen

Titel: Solange am Himmel Sterne stehen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kristin Harmel
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Meine Großmutter und ich wollten Ihnen gern eine Kostprobe aus unserer alten Heimat bieten.«
    »Danke«, sagen Annie und ich einstimmig.
    » Ju lutem «, sagt Elidas Großmutter. »Gern geschehen«, fügt sie auf Englisch hinzu.
    Elida lächelt. »Sie kann ein paar Brocken Englisch.« Sie hält kurz inne, während ihre Großmutter noch etwas sagt. »Und jetzt würde sie Ihnen gern von den Juden erzählen, die sie in unserer Heimatstadt Kruja versteckt hat.«
    Elidas Großmutter beginnt uns – mithilfe von Elidas Übersetzung – zu erzählen, dass sie jung verheiratet war, als der Krieg ausbrach, und dass ihr Mann ein sehr bekannter und beliebter Mann in ihrer Kleinstadt war, in der jeder jeden kannte.
    »1939 besetzten die Italiener unser Land, und im September 1943 kamen dann die Deutschen«, übersetzt Elida, während ihre Großmutter spricht. »Es war von Anfang an klar, dass sie Jagd auf die Juden machten, die unter den Albanern lebten, sagt meine Großmutter. Wissen Sie, Albanien war zu einer Art Zufluchtsort für Juden geworden, die aus Mazedonien und dem Kosovo flohen, aber auch aus so entfernten Ländern wie Deutschland und Polen.« Sie macht eine kurze Pause und nickt dann ihrer Großmutter zu, damit sie in ihrer Muttersprache mit ihrer Geschichte fortfährt.
    »1943 kamen mehrere jüdische Familien in unsere kleine Stadt Kruja, um dort Zuflucht zu finden. Mein Großvater war einer der Leute in der Stadt, die anboten, Flüchtlinge bei sich aufzunehmen. Die Familie, die zu ihnen kam, sagt meine Großmutter, waren die Berensteins, aus Regensburg in Deutschland. Sie kann sich noch genau an sie erinnern.«
    An dieser Stelle hält Elida einen Augenblick inne, und ihre Großmutter sagt in langsamem, bedächtigem Englisch: »Ezra Berenstein, der Vater. Bracha Berenstein, die Mutter. Zwei Mädchen. Sandra Berenstein. Ayala Berenstein.«
    Elida nickt. »Ja. Die Berensteins. Die Mädchen waren noch klein, erst vier und sechs. Die Familie war bei Ausbruch des Krieges geflohen und hatte sich heimlich langsam nach Süden durchgeschlagen.«
    Elidas Großmutter ergreift das Wort, und Elida beginnt wieder zu übersetzen. »Meine Großmutter sagt, sie und ihr Mann seien arm gewesen, und die Essensvorräte wegen des Krieges sehr knapp, aber sie hießen die Berensteins bei sich willkommen. Die ganze Stadt wusste davon, aber als die Deutschen kamen, wurden sie von niemandem verraten. Einmal, als die Deutschen zu ihnen nach Hause kamen, versteckten sich Mr und Mrs Berenstein auf dem Speicher, während meine Großmutter und mein Großvater taten, als wären Sandra und Ayala ihre eigenen Kinder, muslimische Kinder. Danach steckten sie die ganze Familie Berenstein in Bauernkleider, und dann half mein Großvater ihnen, in die Berge hinaufzusteigen, zu einem kleineren Dorf. Meine Großmutter folgte ihnen etwas später. Und dort lebten sie dann zusammen mit den Berensteins und halfen, sie zu beschützen, bis die Familie im Jahr 1944 weiter nach Süden zog, in Richtung Griechenland.«
    Auf einmal spüre ich, dass ich Tränen in den Augen habe, während ich der Geschichte zuhöre. Als ich einen Blick auf Annie werfe, sehe ich, dass sie ebenso bewegt zu sein scheint wie ich.
    »Was ist aus ihnen geworden?«, frage ich. »Den Berensteins? Ist ihnen die Flucht letztendlich gelungen?«
    »Meine Großmutter wusste sehr lange nichts darüber«, sagt Elida. »Sie und mein Großvater beteten jeden Tag für die Familie. Nachdem die Deutschen in Albanien Ende 1944 besiegt worden waren, übernahmen die Kommunisten die Herrschaft im Land, und den Albanern war jeder Kontakt zur Außenwelt verboten. 1952 erhielten meine Eltern einen Brief von den Berensteins. Sie hatten überlebt, alle vier, und waren in Israel. Sie bedankten sich bei meinen Großeltern dafür, was sie getan hatten, für die Besa , die sie ihnen zuteilwerden ließen, und Ezra Berenstein schrieb, er hätte einen Eid geschworen, es meinem Großvater und meiner Großmutter zu vergelten, sollten sie je Hilfe benötigen. Meine Großeltern durften nicht antworten, und sie befürchteten, die Berensteins könnten glauben, sie seien gestorben oder, noch schlimmer, würden sich nicht mehr an sie erinnern.«
    Elidas Großmutter sagt noch etwas anderes, und Elida lächelt und antwortet ihr auf Albanisch. Dann wendet sie sich wieder an Annie und mich. »Ich habe meiner Großmutter nur eben gesagt, dass ich den Rest der Geschichte kenne und sie Ihnen einfach erzählen kann«, sagt sie. »Ich

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