Solange am Himmel Sterne stehen
aber ich hoffe mich verständlich zu machen.
»Hier gibt es keinen Albert Picard.« Die Frau spricht ein klares Englisch mit einem starken französischen Akzent.
Meine Stimmung sinkt. »Oh. Entschuldigung …«
»Hier gibt es keinen Albert Picard, weil er ein dreckiger Nichtsnutz ist«, fährt die Frau in aller Ruhe fort. »Er kann einfach von keiner anderen Frau die Finger lassen. Und ich bin fertig damit.«
»Oh, das tut mir leid …« Meine Stimme verliert sich, denn ich weiß nicht, was ich sonst sagen soll.
»Sie sind nicht zufällig eine dieser Frauen, oder?« Auf einmal klingt sie misstrauisch.
»Nein, nein«, beeile ich mich zu sagen. »Ich suche nach jemandem, den meine Großmutter einmal gekannt hat oder mit dem sie vielleicht verwandt war. Sie ist Anfang der Vierzigerjahre aus Paris weggegangen.«
Die Frau lacht. »Dieser Albert hier, der ist erst zweiunddreißig. Und sein Vater ist Jean-Marc. Das heißt, er ist nicht der Albert Picard, den Sie suchen.«
»Entschuldigung.« Ich werfe einen Blick auf meine Liste. »Kennen Sie zufällig eine Cécile Picard? Oder eine Hélène Picard? Oder einen Claude Picard? Oder …« Ich halte kurz inne. »Oder eine Rose Durand? Oder Rose McKenna?«
»Nein«, sagt die Frau.
»Okay«, sage ich enttäuscht. »Danke für Ihre Zeit. Und ich hoffe, ähm, dass mit Ihnen und Albert alles wieder gut wird.«
Die Frau schnaubt verächtlich. »Und ich hoffe, dass er von einem Taxi überfahren wird.«
Es klickt in der Leitung, und ich halte verdutzt den Hörer in der Hand. Ich schüttele den Kopf, warte auf das Freizeichen und wähle die nächste Nummer.
8
Als Annie um kurz vor vier kommt, sind die Sterntörtchen abgekühlt, die Blaubeermuffins für morgen duften aus dem Ofen, und ich habe alle fünfunddreißig Namen auf meiner Liste angerufen. Zweiundzwanzig von ihnen haben abgenommen. Keiner von ihnen kannte die Leute von Mamies Liste. Zwei von ihnen haben mir vorgeschlagen, bei den Synagogen anzurufen, die Verzeichnisse ihrer Mitglieder aus jener Zeit haben könnten.
»Danke«, sagte ich verwirrt zu beiden, »aber meine Großmutter ist katholisch.«
Annie würdigt mich kaum eines Blickes, als sie ihren Rucksack hinter die Theke wirft und in die Backstube stapft. Ich seufze. Na toll. Wir werden wieder einen dieser Nachmittage haben.
»Ich habe die Schüsseln und Bleche schon alle abgewaschen!«, rufe ich meiner Tochter zu, während ich anfange, Kekse aus der Vitrine zu nehmen, um in ein paar Minuten schließen zu können. »Heute war nicht viel los, da hatte ich genug Zeit dafür«, füge ich hinzu.
»Und, hast du deinen Flug nach Paris gebucht?«, fragt Annie. Sie steht im Türrahmen der Backstube, die Hände in die Hüften gestemmt. »Wenn du genug Zeit dafür hattest?«
»Nein, aber ich …«, beginne ich, aber Annie hebt eine Hand, um mich zum Schweigen zu bringen.
»Nein? Okay. Mehr muss ich gar nicht hören«, greift sie offenkundig auf eine Ausdrucksweise ihres Vaters zurück, in einem Versuch, wie eine kleine Erwachsene zu klingen. Genau das, was ich brauche.
»Annie, du hörst mir nicht zu«, sage ich. »Ich habe die ganzen Leute ange-…«
»Hör zu, Mom, wenn du Mamie nicht helfen willst, dann weiß ich nicht, was wir noch zu bereden hätten«, sagt sie scharf.
Ich hole einmal tief Luft. Ich habe in den letzten paar Monaten einen Eiertanz um sie aufgeführt vor Sorge, wie sie mit der Scheidung zurechtkommt. Aber ich habe es satt, der Buhmann zu sein. Vor allem, wenn ich es gar nicht bin. »Annie«, sage ich mit Nachdruck. »Ich tue, was ich kann, um uns hier über Wasser zu halten. Ich verstehe ja, dass du Mamie helfen willst. Das will ich auch. Aber sie hat Alzheimer, Annie. Ihre Bitte ergibt keinen Sinn. Und wenn du mir jetzt bitte zuhörst, dann werde ich dir …«
»Egal, Mom«, schneidet sie mir wieder das Wort ab. »Du kümmerst dich eben um niemanden.«
Sie stapft zurück in die Backstube, und ich gehe ihr nach, die Hände zu Fäusten geballt, bemüht, nicht die Beherrschung zu verlieren. »Junge Dame, du läufst mir nicht bei einem Streit einfach so weg!«
In dem Augenblick bimmelt die Ladenglocke, und als ich herumschnelle, sehe ich Gavin in verwaschenen Jeans und einem roten Flanellhemd. Er fängt meinen Blick auf und fährt sich mit einer Hand durch seine wilden braunen Locken, die, wie ich verwirrt feststelle, geschnitten werden müssen.
»Äh, störe ich bei irgendwas?«, fragt er. Er sieht auf seine Armbanduhr. »Habt ihr noch
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