Soldatenglück - Sedlatzek-Müller, R: Soldatenglück
Belastung detonieren konnten. Von dem Unglücklichen, der sie auslöst, wäre nicht viel übrig geblieben. Als Test, ob das Erdreich tatsächlich minenfrei ist, wurde dem Fahrer eines Truppentransportpanzers aufgetragen, einen Tisch hinter sein Fahrzeug zu binden und wie ein Landwirt beim Pflügen die Fläche abzufahren. Dass eine Tischplatte wohl kaum den Druck aufbringt, um eine Mine auszulösen, ist selbst uns Mannschaftssoldaten klar. Trotzdem erhalten wir nun den Befehl, ein Zeltdorf auf dem Sandboden zu errichten, wobei man zwangsläufig Erdnägel zur Befestigung in den Boden schlagen muss. Den Unteroffizieren, die den Befehl des stellvertretenden Kommandeurs, Oberstleutnant Loch, an uns weitergeben, ist merklich unwohl dabei. Aus den Reihen der angetretenen Soldaten werden Stimmen laut, die ihn unverhohlen infrage stellen. »Wer befiehlt denn so einen Bullshit?«, ruft einer. Ein anderer Soldat dicht neben mir macht seinem Unmut ebenfalls Luft: »So etwas nennt man Himmelfahrtskommando!« Als Antwort kriegen wir zu hören: »Hier werden schon keine Minen sein, steht nicht dumm herum, sondern fangt an!« Die Arbeit geht allerdings deutlich langsamer voran, als der stellvertretende Kommandeur es sich wohl gewünscht hat. Der Schweiß perlt uns in großen Tropfen von der Stirn – nicht wegen der glühenden Hitze, sondern aus schierer Angst.
Bereits auf dem Weg ins Einsatzgebiet waren die Minen bei uns ein Hauptgesprächsthema. Viele hatten mehr Angst davor, verkrüppelt zurückzukehren, als zu sterben. Einige trafen untereinander mit nahestehenden Kameraden die Verabredung, sich in so einem Fall gegenseitig den Gnadenschuss zu geben. Ein Versprechen, das ich niemandem geben würde. Das Äußerste wäre, eine Waffe in Reichweite zu legen. Den letzten Schritt kann ich aber niemandem abnehmen. Diese Sorgen lasten mit jedem Schritt, den ich weiter über den trockenen Sandboden gehe, schwerer auf meiner Schulter. Ich gebe mir Mühe, jede Bodenerhebung, die auf eine Mine hinweisen könnte, zu erkennen und zu umgehen. Dabei fühle ich mich so bleischwer, dass ich mir sicher bin, selbst eine Panzermine auszulösen, wenn ich auf sie trete. Als wir alle diesen Tanz auf dem Vulkan ohne Explosion überstanden haben, kommt keine Freude auf. Einige machen ihrer weichenden Anspannung mit Worten Luft, sonst herrscht einfach Ruhe und Erleichterung.
Etliche Wochen später, fast schon gegen Ende unseres Einsatzes, wird das Gelände nochmals gründlich abgesucht. Professionelle kroatische Minensucher, die mit ausgebildeten Minenspürhunden zuvor das stark minenverseuchte Gebiet um den Morinipass abgesucht haben, kommen nun auch hier zum Einsatz. Pro Tag schaffen sie die Fläche von zwei bis drei Fußballfeldern, was angesichts des Umstands, dass tatsächlich kein Zentimeter ausgelassen werden darf, eine enorme Leistung ist. Sie finden auf unserem Gelände noch eine Mine. Sie ist allem Anschein nach voll funktionsfähig und nicht etwa ein Blindgänger. Einer der Kroaten erklärt mir, warum es vermutlich nicht zur Auslösung kam. Durch die lange Dürreperiode der Sommermonate war der Boden dermaßen hart geworden, dass sich der Druck beim Auftreten nicht auf die ebenerdig verlegte Mine übertragen hat. Ein kräftiger Regenguss, der die betonharte Erdkruste aufweicht, hätte diesen Effekt seiner Meinung nach aufgehoben. Wir hatten also pures Glück.
Ich spanne die Zeltwände, indem ich ihre Schnüre an den Erdnägeln festbinde, die ich in den harten Boden getrieben habe. Mithilfe der Pioniere errichten wir auch ein großes Duschzelt, das Platz für etwa zwanzig Personen bietet und an sich für den Fall, dass man durch A, Boder C-Waffen kontaminiert wird, zur Entseuchung konzipiert ist. Es werden Waschbecken aus Stahlblech aufgestellt und an Brauchwasser angeschlossen. Sie sehen Futterkrippen ähnlich und bieten acht Mann gegenüberstehend Platz. Nun brauchen wir morgens den Pig-Pott nicht mehr und können auch endlich unsere verschwitzte Kleidung waschen. Dem AVZ werden einige der Typ-I-Zelte am Rand des Lagers zugeteilt. Acht bis neun Soldaten passen in ein Zelt, vorausgesetzt, man stapelt die alten Bundeswehrbetten, die uns zur Verfügung stehen, zu Etagenbetten übereinander. Jeweils zwei Soldaten teilen sich eine Grundfläche von 2mal 2Metern. Darauf muss das Bett und die komplette Ausrüstung untergebracht werden.
Da kaum ein Wind weht, steht die feuchtwarme Luft in den Zelten. Wer während der Mittagszeit eine Pause machen
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