Soljanka (German Edition)
Sache?«
Annerose Müller wirkte verunsichert. »Genau weiß ich das natürlich
auch nicht, ich hab da auch nie was von gemerkt. Aber mein Mann hat erzählt,
dass Thilo Bach und Erika Dembski ein Verhältnis hatten.«
Stamm nickte vor sich hin. »Ihr Mann sollte so was eigentlich
wissen, stimmt’s? Er war immer nah dran an Dembski.«
»Nicht nur an Dembski.« In ihrer Stimme schwang ein eigenartiger
Stolz mit. »Niemand wusste so gut Bescheid wie mein Mann, was in Waren so los
war. Vielleicht nicht einmal Ulrich. Mein Mann hat immer gesagt, wenn man so
viel zu tun hat mit jemandem wie Ulrich Dembski, muss man höllisch auf der Hut
sein.«
»Das leuchtet mir ein. Und Sie glauben, Bach war nicht genug auf der
Hut.«
Annerose Müller lachte verschämt. »Na ja, wo die Liebe hinfällt. Da
wird man vielleicht unvorsichtig. Obwohl, die haben bestimmt auch aufgepasst.
Der Bach war ja auch nicht von gestern. Und wie gesagt, im Endeffekt kann ich
auch gar nicht sicher sagen, dass da wirklich was war.«
»Also Thilo Bach glaubt schon, dass er seinen Bautzen-Aufenthalt
Dembski zu verdanken hat. Er glaubt aber, dass es daran lag, dass er einiges
über Dembskis krumme Geschäfte herausgefunden hatte.«
Die alte Frau zuckte die Schultern. »Kann schon sein. Als er nach
Bautzen kam, dürfte die Sache mit Erika auch lange vorbei gewesen sein. Was
aber andererseits auch nichts heißt. Ulrich Dembski war keiner, der solche
Sachen vergisst.«
Sie blickte versonnen zum Fenster hinaus, schien Erinnerungen
nachzuhängen. Stamm trank seinen Kaffee aus.
Dann fragte er: »Wissen Sie, warum Ihr Mann die Benachrichtigung an
Frau Dembski über den Tod Ihres Mannes bei sich hatte, als er verunglückte?«
Annerose Müller brauchte ein paar Sekunden, um sich von ihren
Gedanken loszureißen.
»Ich kann es mir nur vorstellen«, sagte sie schließlich. »Er hat mir
gesagt, er hätte geschäftlich in Salzburg zu tun. Ich nehme an, er hat sich mit
diesem Kunden getroffen … Wie heißt er noch mal … der in den Unterlagen dort
steht …«
»Georg Berger?«
»Genau. Den Rest kann ich nur vermuten. Ich nehme an, er wollte
wissen, ob Ulrich Dembski tatsächlich in der Bergbahn umgekommen ist. Das war
gerade die Zeit, als die versucht haben, die Opfer zu identifizieren. Damals
stand jeden Tag etwas darüber in den Zeitungen. Ich meine, wir mussten davon
ausgehen, dass Dembski dabei war. Josef kam am Tag nach dem Unglück und sagte:
›Stell dir vor, der Ulrich war auch in der Bahn.‹ Josef war mit ihm verabredet,
er kam aber nicht. Er war auch sonst nicht aufzufinden. Dembskis
Hausverwalterin hat Josef dann erzählt, dass er einen Ausflug mit der Bergbahn
machen wollte. Wahrscheinlich hat Josef die Gelegenheit genutzt, als er gerade
in Salzburg war, und hat sich in der Gerichtsmedizin erkundigt. Kann man ja
verstehen. Egal, wie Dembski war, aber Josef kannte ihn so lange …«
Es klingelte an der Tür. Annerose Müller warf einen Blick auf die
Küchenuhr.
»Mein Enkel kommt vom Fußballtraining«, sagte sie und ging zur Tür.
Stamm legte die Unterlagen zusammen und packte sie in den
Schnellhefter. Dann überlegte er es sich anders, nahm die unterschriebene
Benachrichtigung an Erika Dembski, faltete sie schnell zusammen und steckte sie
in die Jackentasche. Als Annerose Müller in Begleitung ihres Enkels
zurückkehrte, stand Stamm auf und übergab ihr den Schnellhefter.
»Ich muss dann mal los«, sagte er. »Ach so, könnten Sie mir wohl
Ihre Telefonnummer geben, falls ich noch eine Frage habe?«
Er gab die Nummer, die sie ihm diktierte, in sein Handy ein und
verabschiedete sich.
Auf dem Weg zu seinem Wagen rief Stamm in der Redaktion an. Für
die Ausgabe am nächsten Tag gab es nichts mehr zu tun, Hanne Lohmeyer erteilte
ihr Einverständnis, dass Stamm gleich nach Hause fuhr.
Eva lag oben auf dem Sofa und hatte eine Wolldecke bis zum Kinn
hochgezogen, obwohl die Wohnung gut geheizt war. Ihr Gesichtsausdruck entsprach
ihrer Haltung.
Stamm blieb beunruhigt vor dem Sofa stehen und hielt sich nicht mit
Begrüßungsfloskeln auf.
»Was ist los?«
Eva deutete auf ein Blatt Papier, das halb zerknüllt auf der Decke
lag. Stamm seufzte, nahm das Papier auf, faltete es mit vorsorglichem
Widerwillen auseinander und las.
»Meine über alles geliebte Fickschlampe, ich bin heute ein wenig
besorgt. Schlimme Gedanken gehen mir durch den Kopf. Ich versuche
herauszufinden, warum du dich immer noch fern von mir hältst. Kann es sein,
dass dich dein
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