Sommer der Entscheidung
Katalog erstellen. Schau, ich habe hier meinen Laptop startbereit.“ Sie deutete auf den grauen flachen Kasten, der am Fußende des alten Holzbettes lag. „Und wir müssen uns ja nicht gleich heute alle anschauen. Ich weiß, dass es zu viele sind.“
„Ich verstehe nicht, was daran gut sein soll. Es sind doch nur Quilts. Wen interessiert es schon, wo sie herkommen und wer sie gemacht hat?“
„Na, mich zum Beispiel.“ Nancy wischte sich die Hände an ihrem Kleid ab. Es war feucht, sie hatte geschwitzt, und es sah aus wie ein altes Geschirrhandtuch, so zerknittert war es. Aber heute war es Nancy egal, wie sie aussah. Niemand würde sie so sehen.
„Dann lass es uns endlich hinter uns bringen, damit ich mich an neue Decken machen kann.“ Kopfschüttelnd griff Helen in den Stapel Quilts, der neben ihrem Stuhl auf dem Boden lag.
„Warum bewahrst du diese Quilts hier auf?“ Nancy sah ihr zu, wie sie die erste Decke auseinanderfaltete.
„Diese Quilts hier sind zu verschenken. Wenn jemandem das Haus abbrennt oder es eine Überschwemmung gibt, wenn jemand eine geliebte Person verliert, gebe ich demjenigen einen Quilt. Und werd ja nicht sentimental deswegen, als wäre ich eine Art Heilige. Diese Quilts liegen mir nicht sehr am Herzen. Ich verschenke sie lieber, als dass ich sie hier horte.“ Sie verzog das Gesicht, als sie den obersten Quilt über ihrenKnien ausgebreitet hatte. „Siehst du, was ich meine?“
Der fragliche Quilt war eine Komposition aus pfirsichund türkisfarbenen Querstreifen. „Das ist doch ein Jacob’s Ladder, eine Jakobsleiter, nicht wahr?“, fragte Nancy.
„Woher kennst du das Muster?“
„Ich habe hier gewohnt, erinnerst du dich?“
„Nun, es ist kein Jacob’s Ladder, Fräulein Neunmalklug. Wenigstens nicht im eigentlichen Sinne. Es ist ein abgewandeltes Muster. Einige nennen es Road to the White House. Wenn du mich fragst, würde ich nie einen Quilt nach diesen dummen Republikanern benennen, die du und dein Ehegatte so gut finden.“
Nancy verkniff sich ein Lächeln. „Guck mal, Mama, wenn du es so herumdrehst, dass die Farben in die andere Richtung verlaufen, ist es ein Quilt für die Demokraten.“
Helen gluckste. „Na, wenn schon.“
Nancy setzte sich auf die Truhe, die am Fußende des Bettes stand, und stellte den Laptop auf die Oberschenkel. Sie tippte den Namen des Quilts ein, eine kurze Beschreibung und was Helen über den Namen sagte. „Wie groß ist er?“ Während Helen widerwillig ein Maßband holte, um ihre Frage beantworten zu können, tippte sie weiter.
Als sie die wichtigsten Eckdaten eingegeben hatte, stellte Nancy den Computer beiseite und stand auf, um sich die Decke eingehender anzuschauen. Die Quilt-Stiche waren sehr klein und gleichmäßig wie in allen Quilts, die ihre Mutter nähte.
„Den gibst du aber nicht irgendjemandem, hoffe ich, oder?“
„Warum nicht?“
„Er ist wunderschön. Ich kann nicht fassen, dass das einer der Quilts ist, die du loswerden willst.“
„Da kannst du mal sehen, wie wenig Ahnung du hast.“Helen zeigte ihr mehrere Nähte, die einige Millimeter vom Muster abwichen. „An dem Tag muss das Licht schlecht gewesen sein, oder ich habe nicht richtig aufgepasst.“
„Nein, du bist einfach eine Perfektionistin. Hast du mir nicht einmal erzählt, dass nur Gott perfekt sein darf und dass früher deine Großmutter und ihre Freundinnen mit Absicht einen Fehler machten? Dass sie ein Blumenmuster verkehrt herum nähten oder in einem Abschnitt die falsche Farbe verwendeten?“
„Daran kannst du dich erinnern?“
Nancy ließ sich auf den Stuhl, der neben ihrer Mutter stand, fallen. Eine Brise wehte durch das offene Fenster herein und brachte ihre Frisur durcheinander. „Es tut mir leid, wenn es so aussah, als hätte ich dir nicht zugehört oder als würde es mich nicht interessieren, was du mir über Quilts erzählst. Ich war ein Teenager.“
„Ich bin nur überrascht, das ist alles. Aber wenn du findest, dass dieser Quilt besonders ist, dann gibt es welche, die ich lieber mag.“
„Ich will alle sehen.“
Helen glättete den Quilt, faltete Road to the White House sorgfältig und legte ihn zurück auf den Stapel. Nancy vermutete, dass ihre Mutter diese Decke lieber mochte, als sie zugab. Und machte gerade die Tatsache, dass sie das Geschenk an eine fremde Person sein sollte, die eine wärmende Decke brauchte, nicht noch wertvoller?
Helen war ungemein umständlich aufgestanden und durchquerte das Zimmer, um einen
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