Sommer der Entscheidung
nichts muss ich. Ich werde nicht hingehen. Sie werden mich suchen, aber ich werde genau hier sitzen, in meinem Sessel, mit verschränkten Armen, genau so.“ Helen verschränkte ihre Arme über der Brust.
„Ja gut, Mrs. Henry, natürlich können Sie das so machen.“ Helen war froh, ihren Standpunkt deutlich gemacht zu haben. „Glaube nicht, dass ich es nicht ernst meine“, sagte sie.
„Das glaube ich nicht. Ich meine, natürlich nicht. Ich weiß, dass Sie jetzt wütend sind. Aber Sie müssen sich fragen, warum sie das alles für Sie so gemacht haben.“
„Weil sie wussten, dass ich Nein sagen würde.“
„Genau. Und sie wollen trotzdem etwas für Sie tun, auch wenn Sie einen Dickschädel haben. Weil sie Sie lieben.“
Helen wusste nicht, was sie darauf antworten sollte. Sie nahm an, dass es stimmte, was Cissy sagte, dass Nancy und Tessa sie liebten. Es war nichts, worüber sie sich Sorgen machte oder über das sie grübelte, aber seit diesem Sommer hatte sich vieles verändert. Vielleicht waren die beiden sich vorher nicht so sicher, ob sie sie liebten oder nicht. Aber nun, tja, nun sah die Sache anders aus.
„Ich könnte einfach hier so sitzen in meinem alten Hauskleid“, beharrte Helen. „Genau wie jetzt. Und all diese Leute fragen sich, wo ich wohl stecke …“
Klugerweise antwortete Cissy darauf nicht.
Die Haustür ging auf, und Nancy und Tessa kamen herein. Helen sah auf und betrachtete das Lächeln in Nancys Gesicht. Die Augen ihrer Tochter strahlten, wie sie es vorhernoch nie gesehen hatte. Sie sah Tessas Blick auf den Gemeinderundbrief fallen, den Helen auf den Kaffeetisch gelegt hatte.
Helen seufzte. „Wird ja auch Zeit, dass ihr beiden nach Hause kommt.“
„Wir sind viel weiter spazieren gegangen, als wir ursprünglich geplant hatten“, sagte Nancy. „Cissy, wie geht es dir?“
Cissy sah von einer Frau zur anderen, ihre Augen waren müde. „Oh, gut, aber ich glaube, ich gehe jetzt …“
„Du bleibst schön hier!“ Helen räusperte sich. „Du bleibst hier, und ich zeige dir, wie man aus dieser Oberdecke einen echten Quilt näht. Genau, wie ich es versprochen habe.“
Cissys Augen wurden groß, als Helen aufstand und mit ausgestrecktem Finger auf ihre Tochter zeigte. „Und du, Nancy?“
„Mama?“
„Du findest heraus, wo ich ein neues Kleid herbekomme. Eines, das mir wirklich einmal passt. Und besorg mir einen Termin da, wo du dir die Haare schneiden lässt.“ Sie hob ihr Kinn. „Und das ist alles, was ich dazu zu sagen habe. Cissy!“
Cissy sprang auf. „Ma’am?“
„Wir gehen hoch.“
Helen konnte die zwei Augenpaare spüren, deren Blicke sich in ihren Rücken bohrten, als sie mit Cissy die Treppe hochstieg.
„Denen haben Sie es aber gezeigt“, flüsterte Cissy ihr zu.
Zum ersten Mal an diesem Morgen lächelte Helen.
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31. KAPITEL
H elen schüttelte an diesem Tag eine weitere Hand, nachdem sie schon so viele geschüttelt hatte. Es schien ihr, als sei jeder aus den umliegenden sechs Countys gekommen, um ihre Quilts zu sehen. Sie konnte sich nicht vorstellen, dass das Leben der anderen Menschen so langweilig war, dass sie dafür extra in die Kirche gekommen waren. Konnten sich die Leute nicht mehr selbst beschäftigen?
Die rothaarige Frau, die Helen nie zuvor in ihrem Leben gesehen hatte, hörte nicht auf, ihre Hand zu schütteln und über den Job’s-Troubles-Quilt zu sprechen, der im Altarraum hing.
Helen war kurz davor, abzuschalten. Nach drei Stunden dort zu stehen und sich mit Fremden zu unterhalten, war sie erschöpft. Aber der letzte Satz der Frau ließ sie wieder aufhorchen. „Solange niemand ausbrennt oder überschwemmt wird, gebe ich meine Quilts nicht fort.“
Die Frau lachte. „Natürlich nicht, obwohl ich die Dankesschreiben der Leute gelesen habe, denen Sie Quilts geschenkt haben. Nein, ich möchte Sie einfach fragen, ob Sie mir diesen Quilt verkaufen würden. Ich verspreche, ich werde gut auf ihn Acht geben. Und meine Tochter wird ebenso auf ihn achten, wenn ich einmal nicht mehr bin. Sie wird ihn genauso bewundern wie ich.“
Helen wusste, dass sie müde und unkonzentriert war, aber hatte diese Frau ihr gerade angeboten, einen ihrer Quilts zu kaufen?
Nancy kam gerade hinzu, als hätte sie ihrer Mutter angesehen, wie erschöpft sie war. „Mama, wie sieht es mit Mittagessen und einer kleinen Pause aus, damit du dich auch einmal hinsetzen kannst?“
„Diese Frau will
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