Sommer der Liebe
nicht sah, dass sie plötzlich lächeln musste. »Es ist eine verloren gegangene Kunst, schon vergessen? Das ist doch genau dein Ding.«
»Ich weiß«, sagte Gus. »Ich weiß.«
Sian war so erleichtert, als Richard aufstand und sich verabschiedete, dass sie ihn viel enthusiastischer umarmte, als sie es eigentlich vorgehabt hatte. Er erwiderte ihre Umarmung, und ihr wurde klar, dass sie ihm das völlig falsche Signal gegeben hatte.
Ärgerlich über sich selbst, ging sie wieder ins Haus und stellte fest, dass Fiona in der Küche den Abwasch erledigte, während Gus durch das Wohnzimmer schlenderte, einzelne Gegenstände in die Hand nahm und betrachtete und dann wieder wegstellte.
»Also, dann bist du gut mit Richard befreundet?« Er hob einen Kugelschreiber hoch und nahm ihn auseinander.
»Oh ja. Er hat mir sehr viel geholfen. Richard hat mir dieses Haus besorgt, und seine Schwester leitet eine Spielgruppe, in die Rory geht.«
»Seid ihr nur gute Freunde? Oder ist da noch mehr?«
Sie nahm ihm sanft den Stift weg. »Ich möchte nicht darüber reden.« Ihr wurde klar, dass es genau die Art von Frage war, auf die einem eine gute Antwort immer erst nach mehreren Stunden einfiel. Und Sian wollte mit Gus wirklich nicht über Richard sprechen, das ging ihn nichts an.
Gus schaute sich ein Foto an. Es zeigte Sian und Rory vor ungefähr einem Jahr. »Dann ist das also der berühmte Rory? Er sieht dir sehr ähnlich.«
»Ja!« Sie klang vielleicht ein bisschen zu erleichtert, aber es schien Gus nicht aufzufallen.
»Und siehst du seinen Vater oft?«
»Nein. Schon seit Jahren nicht mehr.« Sie lächelte und versuchte anzudeuten, dass es in Ordnung war. »Wir verstehen uns aber gut. Es ist kein Problem.«
»Dann ist Richard also mein einziger Rivale?« Er grinste sie schief an, und dieses Grinsen ließ Sian panisch werden. Sie konnte nicht mit Sicherheit sagen, ob er sie nur aufziehen wollte oder nicht. »Sei nicht albern!« Sie lachte nervös. »Und wie meinst du das überhaupt, dein ›Rivale‹?«
»Ich hatte irgendwie gehofft, dass wir vielleicht da weitermachen könnten, wo wir aufgehört haben …« Er hob auf eine lustig-anzügliche Weise eine Augenbraue.
»Gott, nein.« Sian zitterte. Das wurde alles viel zu persönlich. Erinnerungen an jene wundervolle Nacht stiegen in ihr auf, und ihr wurde nur zu bewusst, dass sie sich ganz allein mit ihm im Wohnzimmer aufhielt. Sie durfte sich nicht anmerken lassen, welche Wirkung er auf sie hatte.
»Beruhige dich! Ich wollte damit nicht sagen, dass wir jetzt sofort nach oben gehen sollen.«
Sian stellte zu ihrem Entsetzen fest, dass sie plötzlich den Tränen nahe war. Ein Teil von ihr wollte mit ihm nach oben gehen, aber der vernünftige, praktische Teil von ihr wusste, dass sie jetzt an Rory denken musste. Sie durfte Gus nicht zeigen, dass sie ihn noch immer unglaublich attraktiv fand. Außerdem war sie überhaupt nicht sicher, was sie für ihn empfand. Sie wusste nur, dass seine Ankunft ihre geordnete Welt völlig durcheinandergebracht hatte. Ihre Gefühle waren in Aufruhr, und das gefiel Sian nicht. Sie kämpfte gegen die Tränen an. Nach der schlaflosen Nacht war sie offenbar überreizt und viel zu emotional. »Gus, bitte, sag so etwas nicht.«
Sie wandte sich ab, damit er nicht sah, wie aufgewühlt sie war, doch er stellte sich hinter sie, legte eine Hand auf ihre Schulter und drehte Sian zu sich um. »Es tut mir leid, ich wollte nicht …«
Wie ein rettender Engel erschien Fiona im Zimmer. »Okay, das meiste Geschirr ist weggeräumt. Komm schon, Gus, wir sollten uns jetzt verabschieden.«
Sian riss sich zusammen, lächelte Fiona an und sagte: »Ja, ich denke, Rory kommt auch jeden Moment nach Hause.«
»Ich würde ihn sehr gern kennenlernen«, wandte Gus ein. In seinem Gesicht stand immer noch Sorge.
»Das wirst du, Schatz«, erklärte Fiona, »aber ich denke, dass er übermüdet und quengelig sein wird. Vielleicht triffst du ihn lieber ein andermal.«
»Das stimmt.« Sian nickte. »Genauso ist es.«
Als sie wieder allein war, wurde ihr klar, dass es ihr am liebsten gewesen wäre, wenn Gus ihn gar nicht kennenlernen würde. Aber natürlich würde eine Begegnung unvermeidbar sein. Wider alle Vernunft wünschte Sian sich, dass Gus Rory mochte. Voller widersprüchlicher Empfindungen ließ sie sich aufs Sofa fallen. Warum war das Leben so kompliziert? Vielleicht sollte sie doch Richard heiraten. Es gab noch mehr im Leben als leidenschaftlichen Sex. Richard wäre,
Weitere Kostenlose Bücher