Sommer in Maine: Roman (German Edition)
tief durch. Maggie konnte nichts dafür. Es wäre gemein, es an ihr auszulassen.
»Ich hatte mit Alice verabredet, dass ich den Rest des Monats bei ihr verbringe, weil du und deine Mutter nicht hier sein könnt«, sagte sie.
»Aber ich habe ihr doch schon vor drei Wochen gesagt, dass ich bis Ende Juni bleibe«, meinte Maggie. »Na, egal. Es ist ja Platz für alle da. Schön, dass du da bist.«
Ein höfliches Mädchen. Erstaunlich höflich, wenn man ihr Elternhaus bedachte. Aber Ann Marie war trotz Maggies Verhalten klar, dass ihre Nichte die Lage auch nicht gerade reizvoll fand.
»Stimmt, es ist Platz genug«, sagte Ann Marie.
»Ich helfe dir mit dem Gepäck«, bat Maggie an.
Während sie Ann Maries Koffer, den Einkauf und die Reinigungsprodukte ins Haus trugen, plauderten sie über dies und das.
»Wie geht’s Pattys Kleinen?«, fragte Maggie. »Naja, so klein sind sie ja wahrscheinlich gar nicht mehr.«
»Ach, meine lieben Kleinen«, sagte Ann Marie. »Wusstest du, dass Foster Daniel Seniors Ohren hat? Ich zeig dir nachher mal Fotos.«
»Gute Idee«, sagte Maggie.
»Und der Kleine hat jetzt zweimal die Woche Schwimmunterricht.«
»Ach wirklich? Wie alt ist er denn?«
»Erst ein Jahr!«, sagte Ann Marie.
»Wow.«
»Aber das ist noch gar nichts. Maisy ist vier und geht schon seit über zwei Jahren zum Baseballtraining für Minis. Die wichtigsten Bewegungsabläufe kann sie schon, und im Herbst kommt sie in ein richtiges Team.«
Maggie hob die Brauen. »Ist das normal? Baseball für Zweijährige?«
»Tja, heutzutage ist für Kindheit keine Zeit.«
»Wie viel kostet denn sowas?«, fragte Maggie, und Ann Marie wunderte sich über die seltsame Frage.
»Ich weiß nicht so genau«, sagte sie. »Es wird schon bezahlbar sein. Josh bucht für die Kleine regelmäßig einen dieser Trainingsräume für Schlagmänner. Die gibt’s jetzt auch für Kleinkinder. Der letzte Schrei unter Vätern.«
Plötzlich sah Maggie traurig aus. Hätte sie Väter nicht erwähnen sollen?
Das Mädchen tat Ann Marie leid. Wahrscheinlich hätte sie sich mehr um ihre Nichte kümmern sollen, als sie noch klein war. Wann immer sie konnte, hatte sie versucht, Maggie das Gefühl zu geben, etwas Besonderes zu sein, geliebt zu sein. Aber sie musste ja zuerst an ihre eigenen drei Kinder denken, und jedes Mal, wenn sie Maggie etwas Nettes geschenkt hatte oder zum Beispiel angeboten hatte, sie nach Disney World mitzunehmen, war Kathleen zur Furie geworden, und am Ende hatte Ann Marie es bereut, sich eingemischt zu haben.
»Wie geht’s deiner Mama?«, fragte sie jetzt.
»Ganz gut.«
»Der Hof macht bestimmt viel Arbeit.«
»Sicher. Übrigens: Hast du vor ein paar Wochen den Artikel über die Freiwilligen des Friedenscorps in der Times gesehen?«
Ann Maries Muskeln spannten sich an: »Nein.«
»Ein ganz toller Bericht. Es ging vor allem um berühmte ehemalige Mitglieder, wohin es die jetzt verschlagen hat und so. Ich musste natürlich gleich an Fiona denken.«
»Wie nett von dir«, sagte Ann Marie.
»Vielleicht kann ich ihr den Artikel hinschicken.«
»Das wär sehr lieb. Es würde sie bestimmt interessieren.«
»Sie ist schon so lange weg.«
»Ja.«
»Und? Weiß sie schon, was sie als nächstes machen will?«, fragte Maggie.
Ann Marie bemühte sich, sorglos zu klingen: »Als Mutter ist man grundsätzlich die letzte, die etwas erfährt.« Jetzt hatte sie doch zu viel durchblicken lassen, aber Maggie sagte nichts dazu und lächelte nur.
Nachdem sie alles ins Haus getragen hatten, machte sich Maggie wieder am Computer an die Arbeit, und Ann Marie setzte sich mit ihren Puppenhauszeitschriften auf die Veranda. Sie wollte sich entspannen und den Blick genießen, aber sie wartete doch unruhig auf Alices Rückkehr, damit die ihr erkläre, was das mit Maggie sollte. Ann Marie und Alice telefonierten fast täglich. Wie konnte es sein, dass ihre Schwiegermutter nichts von Maggie erwähnt hatte? Plötzlich erschrak Ann Marie: War Alices Gedächtnis schon viel schlechter, als sie gedacht hatten? Vielleicht hatte sie einfach vergessen, dass Ann Marie kommen wollte.
Aber als Alice eine Stunde später ins Sommerhaus schneite, zerstob diese Möglichkeit augenblicklich. Alice trat auf die Veranda und schloss die Fliegengittertür hinter sich.
»Da bist du ja. Wie schön!«, rief sie. »Wie war die Fahrt?«
»Gut. Ich war nur ein bisschen überrascht, Maggie hier zu treffen.«
»Ach ja?«
»Ja. Und ich glaube, dass es ihr genauso ging. Warum
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