Sommer in Maine: Roman (German Edition)
herübergetrabt und legte die Schnauze auf ihren Oberschenkel.
»Na, meine Süße«, sagte Kathleen.
Vor einem Jahr hatte man einen Tumor im Bein der Hündin entdeckt. Damals war sie dreizehn Jahre alt. Der Tierarzt war davon ausgegangen, dass Kathleen Mabel einschläfern lassen würde, aber sie hatte auf einer Operation bestanden. Die Kosten beliefen sich auf fünftausend Dollar, was, wie sie zugeben musste, ganz schön viel war. Aber das Geld war bedeutungslos im Vergleich zu einem weiteren Jahr mit Mabel.
»Frohe Weihnachten«, hatte Arlo im September gesagt, als er ihr den Scheck gab.
Jetzt klingelte das Telefon.
Hoffentlich war es endlich die Schulverwaltung von Keystone. Kathleen wiederholte innerlich ihren Text: Sechzig Prozent des Mülls auf den Deponien ist Biomüll. Der müsste da nicht nutzlos vergammeln, denn unsere Würmer leben von genau diesem Abfall: Obst- und Eierschalen, Grasschnitt und Gartenabfall – wir nehmen alles. Momentan beziehen wir unser Wurmfutter von den Cafeterien der Schulen aus sechs hiesigen Kommunen. Wollen Sie die siebte sein?
Aber am anderen Ende war Kathleens Schwester Clare.
»Wusstet ihr schon, dass diese Bioproduktezeitschrift über euch berichtet hat?«, fragte sie.
»So was liest du?«
»Joe hat beim Arzt im Wartezimmer reingeschaut und das Heft dann in seinen Shorts rausgeschmuggelt!«
Kathleen lächelte.
»Warum hast du uns nichts davon gesagt? Joe hängt den Artikel gerade in unserem Schaufenster auf.«
Clare klang glücklich. Bei ihrem letzten Job hatte Kathleen an ihre Schwester gedacht, wenn sie unsicheren Pubertierenden versicherte, dass sich alles einrenken würde. Bei ihrer Schwester war es so gewesen. Zwischen Clare und der Familie war schon immer eine gewisse Distanz gewesen. Die Familie hatte sie aufgrund ihrer Wissbegier und ihrer Freude am Lesen als Wichtigtuerin abgestempelt. (Das hatte Kathleen auch sich selbst vorzuwerfen. Den wahren Charakter ihrer Schwester hatte sie erst viel später erkannt. Wahrscheinlich war sie als Kind einfach eifersüchtig auf die Intelligenz ihrer kleinen Schwester gewesen und darauf, dass Clare die Meinung anderer einfach egal war. Kathleen hatte diese innere Gelassenheit erst viel später erlernt.) Clare und ihr Mann Joe waren beide hochintelligente Sprösslinge von intellektuell durchschnittlichen Familien. Glaubenszubehör an Priester und Großmütterchen zu verscherbeln passte nicht recht zu dem liberalen Intellektuellenpaar mit Wohnsitz in Jamaica Plain. Aber sie machten ganz schön Reibach.
»Wie geht’s Ryan?«, fragte Kathleen jetzt.
»Super. Sie wollen ihn beim Familientheater Wheelock nochmal für Kiss me Kate haben. Die Proben sind für August angesetzt. Das wirft unsere Maine-Pläne natürlich total über den Haufen.«
»Lass das bloß nicht Ann Marie hören. Sie wird dich der Ältestenmisshandlung bezichtigen, weil du nicht an Alices Seite bist.«
»Lass mich bloß damit in Ruhe. Ann Marie und Alice sollten miteinander durchbrennen und ihre Liebe nicht länger leugnen«, sagte Clare. »Das war jetzt gemein. Joes schlechter Einfluss. Für eine Woche fahren wir bestimmt hin. Vielleicht auch mehr, je nachdem. Du und Arlo solltet auch kommen.«
»Wir können hier nicht weg«, sagte Kathleen. Und obwohl beide wussten, dass das nicht der einzige Grund war, sagte keine der beiden etwas dazu.
»Naja, ruf mich an, wenn du es dir anders überlegst. Wir ziehen in dem uns zugeteilten Monat nicht die Zugbrücke hoch, wie Familie Makellos.«
Dann redeten sie über die Arbeit, über Alice und eine alte Schulfreundin, die im vergangenen Monat zum siebten Mal geheiratet hatte.
Schließlich sagte Clare: »Apropos: Ryan hat eine witzige Idee für ein Musical. Es setzt mit den Hochzeiten mehrerer Paare ein und verfolgt dann, wie sich die Ehen entwickeln. Er will zeigen, dass man an der Art der Hochzeit vorhersehen kann, was für eine Ehe es wird. Genial, oder? Okay, ich bin nicht objektiv. Aber da ist doch was dran, meinst du nicht? Denk nur an unsere Hochzeiten, also deine, meine und Pats.«
Patrick und Ann Marie hatten bei ihrer Hochzeit im Ritz-Carlton in Boston alle Geschütze aufgefahren. Aber von den beiden Angebern war auch nichts anderes zu erwarten gewesen. Sie hatten den Reichtum vorgespielt, den sie anstrebten. Ann Maries Kleid war ein Berg weißer Spitze. Die Blumenmädchen steckten in rosa Tutus. Der gesamte Freundeskreis ihrer Eltern war geladen worden, sodass das Durchschnittsalter irgendwo um die
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