Sommer unter dem Maulbeerbaum
Morgen erst kurz vor acht, was für ihre Verhältnisse spät war, aber sie war ja auch erst um drei ins Bett gekommen. Nachdem Matt gegangen war, war ihr das hässliche kleine Haus allzu leer vorgekommen und gleichzeitig zu voll von den Dingen des Lebens, an denen sie keinen Anteil mehr hatte. Sie war zu Bett gegangen, hatte sich dann aber über eine Stunde lang hin und her gewälzt. Daher war sie wieder aufgestanden, hatte ihre Freizeithosen und ein T-Shirt angezogen und war in die Küche getrottet, um sich etwas Warmes zum Trinken zu machen.
Eine Weile hatte sie im Wohnzimmer am Esstisch gesessen und die Wand angestarrt, hinter der sich ein Kamin verbarg. Als sie draußen ein Geräusch hörte, blickte sie zur Haustür hinüber und erwartete allen Ernstes, Jimmy würde jeden Augenblick ins Zimmer spazieren. Da wusste sie, dass sie etwas tun musste, oder sie würde sie ganze Nacht mit Weinen zubringen.
Der Kühlschrank in der Küche war voller Marmeladentöpfe, die wieder heiß gemacht und dann in Gläser gefüllt werden mussten. Auf dem Fußboden standen noch die Kisten mit Erdbeeren, die sie am Straßenrand gekauft hatte. Ebenfalls im Kühlschrank befanden sich Tüten mit Pflaumen, ein großer Karton
Brombeeren, eine Riesentüte mit Kirschen, und das Gemüsefach war voll gepackt mit Gemüse.
»Weinen oder arbeiten«, hatte sie laut gesagt und sich dann ihre Turnschuhe und eine Schürze angezogen. Nachdem sie die Erdbeerkiste auf den Tisch gestellt und ihr Küchenmesser in der Schachtel mit ihren Einmachutensilien aufgespürt hatte, machte sie sich an die Arbeit. Phillip hatte einen Mann vorbeigeschickt, der sie an ein Kabelnetz angeschlossen hatte. Also schaltete sie jetzt den Fernseher ein und sah sich während des Kochens einen Verkaufssender an.
Und so stieg sie an diesem Morgen gähnend aus dem Bett, zog sich an und ging durch die Küche in die Vorratskammer, um die Reihen von Gläsern zu betrachten: Brombeer- und Kirschliköre, Erdbeermarmelade, Chutney aus grünen Tomaten, eingelegte Karotten, Erdbeerkonfitüre, Pflaumenmarmelade und eingelegte Pflaumen. Auf der Fensterbank stand die Rezeptdose, von der sie so begeistert gewesen war, als sie sie fand. Leider hatte sich herausgestellt, dass sie nur ein paar Grundrezepte für Hackbraten und frittierte Hähnchensteaks enthielt. Es war nicht die große Entdeckung gewesen, auf die sie gehofft hatte.
Letzte Nacht hatte sie Einmachgläser auf der heißesten Stufe durch den Geschirrspüler laufen lassen, um sie zu sterilisieren. Währenddessen hatte sie die Deckel in kochendem Wasser warm gehalten. Da in der Küche kaum Platz zum Arbeiten war, hatte sie sich den Tisch im Wohnzimmer zurechtgemacht, indem sie ihn mit mehreren Schichten weißer Geschirrtücher bedeckte.
Als Erstes vermischte sie die Brombeeren mit Zucker und setzte sie mit einer Schüssel in den kleinen Entsaftungsofen in ihrem großen Kochbereich. Die di~ cken Beeren mussten für Stunden bei niedriger Gradzahl erhitzt werden, bis der Zucker ihnen den Saft entzog.
Sie schnitt die Erdbeeren oben ab und warf sie dann in zwei verschiedene Töpfe, einen für Marmelade und einen für Konfitüre, bei der die Beeren ganz blieben. Während die Erdbeeren vor sich hin köchelten, stach sie die Pflaumen überall mit einer Stopfnadel ein und gab sie dann in eine Schüssel. Derweil füllte sie Apfelessig, Apfelsaftkonzentrat, Nelken, Piment, Ingwer und Lorbeerblätter in einen Topf und ließ alles aufkochen.
Sie probierte aus, ob die Marmelade schon geliert war, indem sie einen Löffel davon auf einem kalten Teller für ein paar Minuten ins Gefrierfach stellte. Als sie so weit war, begann sie damit, sie in Gläser zu füllen. Sie schleppte einen großen Einkochkessel voll kochenden Wassers an den Tisch. Damit die Gläser auch richtig dicht sein würden, musste alles so heiß wie möglich gehalten werden und so sauber wie möglich. Nicht das kleinste bisschen Marmelade durfte sich auf dem Rand des Glases befinden, sonst würde der Deckel nicht schließen - oder, noch schlimmer, Bakterien würden in das Glas geraten.
Die Pflaumen kamen zuerst dran. Sie quetschte die eingestochenen Früchte so dicht wie möglich in ein halbes Dutzend heiße, sterile Gläser. Dann nahm sie einen breiten Trichter und goss die durchgeseihte Essiglösung darüber. Sie wischte jeden einzelnen Rand mit einem sauberen Tuch ab, setzte die Deckel darauf, drehte sie fest und stellte die Gläser auf ein Tablett, das sie in die Küche
Weitere Kostenlose Bücher