Sommerfest
du nicht wusstest, und dann reden wir noch mal.«
»Was soll das jetzt heißen?«
»Ich habe schon zu viel erzählt.«
»Mach mal hier nicht einen auf geheimnisvoll. Immer wieder kriege ich hier so merkwürdige Andeutungen reingedrückt. Rede doch mal Klartext!«
»Das ist nicht meine Aufgabe. Aber geh mal davon aus, dass in den letzten Jahren eine ganze Menge passiert ist.«
Stefan überlegt, ob er da weiter nachhaken soll, lässt es dann aber, weil er Frank nicht weiter bedrängen und es vielleicht auch gar nicht so genau wissen will.
»Und was ist mit dir und deiner Frau?«, fragt er.
»Hat sie dir doch bestimmt schon erzählt.« Oha, denkt Stefan. Weiß er etwa Bescheid? »Und du lenkst schon wieder ab.«
»Meinetwegen.«
»Du denkst vielleicht, es ist nicht leicht mit so einer Frau.«
»Was für einer Frau?«
»Du weißt schon, was ich meine. Aber ich sage dir jetzt mal was!«
»Oh ja, bitte!«
»Auch schöne Frauen haben Stuhlgang!«
»Echt jetzt?«
»Aber hallo!«
»Kein Scherz?«
»Ja, ja, mach dich nur lustig über mich. Aber die meisten können sich gar nicht vorstellen, dass eine Frau wie Karin auch Seiten hat, die ihr alle gar nicht kennen wollt. Ich meine, miese Seiten, richtig miese Seiten. Klar, sie ist charmant und offen und schön und intelligent und verdient Geld, und wenn es dann Probleme gibt, ist allen klar, das kann nur ihr dummer, dummer Mann verbockt haben, denn solche Frauen haben immer recht.«
»Du hast es nicht leicht, was?«
Frank Tenholt sieht Stefan für einen Moment so an, als wolle er sich mit ihm streiten, aber dann zuckt er nur mit den Schultern und sagt: »Ach, ich habe nur zu viel getrunken.«
»Kann vorkommen.«
»Ich weiß nicht, was Karin dir erzählt hat, aber, nun ja, wir haben da mal so eine Therapie gemacht. Weil ich es wichtig fand, dass wir ein paar Sachen unter professioneller Anleitung besprechen, bevor sie zu echten Problemen werden. Aber, was soll ich sagen, das war so eine Wischi-waschi-Sache. Nicht Fisch, nicht Fleisch, immer irgendwie was dazwischen. Entweder haben beide recht oder keiner von beiden. Das mag ja in der Theorie hinhauen, aber das hat doch mit Ehealltag nichts zu tun. Ich meine, ich bin nicht blöd. Ich weiß schon, dass Karin sich unser Leben vielleicht etwas anders vorgestellt hat, aber ich sage immer, es ist nie zu spät.«
»Wie meinst du das?«
»Auch ich muss nicht für immer hierbleiben.«
»Ach komm, du warst doch schon hier, bevor die ersten Einzeller aus der Ursuppe krochen.«
»Mein lieber Stefan, ich leite ein Museum auf der Zeche, auf der mein Vater noch eingefahren ist. Am Anfang fand ich das spannend, der gelebte scheiß Strukturwandel. Aber es ist auch unheimlich. Als würde ich in seinen Sachen rumkramen. Mal abgesehen davon, dass er mir ständig erklären will, wie das früher hier war und dass ich keine Ahnung habe, weil ich nie richtig gearbeitet hätte, und dann rückt er hier mit drei ehemaligen Arbeitskollegen an, und die norden mich ein, und wenn man die was Konkretes fragt, dann haben vier Leute fünf Lösungen für ein Problem, aber ich bin der Blödmann! Dieses Jahr, mit der Kulturhauptstadt, das ist schon so was wie ein Höhepunkt, aber danach? Vielleicht haue ich hier in den Sack, und wir gehen nach, keine Ahnung, wie wär’s mit München?«
»Ja, klar, tolle Sache.«
»Oder wieso nicht ins Ausland? Karin wollte immer in die USA . Ich weiß nicht, ob das noch geht. Oder England. Ich meine, die suchen Ärzte. Manche deutsche Ärzte arbeiten da drei Tage die Woche, aber die Familie wohnt, keine Ahnung, in Mettmann oder so. Als Landarzt in England, der Doktor und das liebe Vieh, mit Tweedjackett zu Gummistiefeln, warum nicht!«
Das hört sich nicht wie ein Plan an, den er schon mit seiner Frau abgestimmt hat, denkt Stefan. Frank Tenholt wirkt wie ein Mann, der das Ausmaß der Probleme, die er hat oder noch bekommen wird, nicht einschätzen kann.
»Warst du schon am Grab?«, will dieser Mann jetzt wissen.
»Wieso fragst du mich das?«
»Nur so. Wir plaudern einfach.«
»Nein, war ich nicht.«
»Ich fahr dich morgen hin, wenn du willst.«
»Danke für das Angebot. Aber ich weiß nicht, ob ich es schaffe.«
»Was hast du denn morgen für Termine?«
»Ich weiß einfach nicht, ob ich es schaffe, okay?«
»Beruhige dich. Geht mich ja auch nichts an.«
Stefan nickt, und Frank nimmt einen tiefen Schluck von seinem Bier.
»Aber ich gebe meinen Senf trotzdem dazu. Wenn du wieder nach München
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