Sommerflammen
Händedruck, ließ die Hand aber schnell wieder los, aus Angst, sie zu zerquetschen.
»Mrs. Fraziers Sohn hat ihr den Sprung zu Weihnachten geschenkt«, fügte Marcie hinzu.
»Bitte nennen Sie mich Ella, schließlich werden wir gemeinsam aus einem Flugzeug springen. Mein Sohn hörte, wie ich sagte, ich würde gern mal Fallschirm springen, und hat es doch tatsächlich für bare Münze genommen, obwohl ich damals bestimmt mehrere Gläser Wein intus hatte.« Weder verzog sich der Mund zu einem Lächeln, und die Wangen bekamen Grübchen. »Er schaut sich gerade mit seiner Familie draußen um, meine Tochter und ihre Familie sind auch gekommen. Alle sind schon ganz aufgeregt.«
»Wie nett. Das freut mich.«
»Also«, Ella machte eine kurze, abwartende Pause. »Wann geht es los?«
»Erst stecken wir Sie in den Anzug.« Obwohl sie lächelte, warf Marcie Lucas einen besorgten Blick zu. »Währenddessen schauen Sie sich ein kurzes Einführungsvideo an. Anschließend bekommen Sie eine kleine Einweisung vom Chef und können Fragen stellen. Das dauert etwa eine halbe Stunde, anschließend sind Sie mit dem Gurtzeug vertraut und wissen, wie man landet.«
»Eine richtige Landung wäre schön. Ich möchte meine Enkel schließlich nicht traumatisieren«, sagte sie mit einem schalkhaften Funkeln in den Augen.
Sie war also verheiratet. So langsam konnte Lucas wieder klar denken. Kinder. Enkelkinder. Dass sie verheiratet war, verscheuchte seine Schüchternheit. Nun konnte er sie aus der Ferne bewundern, schließlich war sie tabu.
»Keine Sorge.« Es gelang ihm, sie anzugrinsen. »Sie werden diesen Tag immer in Erinnerung behalten, an dem ihre Großmutter Fallschirm gesprungen ist. Sobald Sie die Formulare ausgefüllt haben, werden Sie in die Kombi gesteckt.«
Er schlüpfte in die seine, während Marcie die Kundin ausrüstete. Normalerweise genoss er es, Tandemflüge mit absoluten Neulingen zu machen, ihnen über ihre Nervosität hinwegzuhelfen, ihre Fragen zu beantworten und ihnen ein möglichst perfektes Erlebnis zu verschaffen -eines, an das sie sich für den Rest ihres Lebens erinnern würden. Und diese Kundin würde da keine Ausnahme sein. Sie sah fit aus, was ein Vorteil war. Er warf einen Blick auf seine Kopie des Formulars und sah, dass er sich nicht in ihr getäuscht hatte: eins fünfundsechzig groß, zweiundsechzig Kilo, keinerlei körperliche Einschränkungen. Er ging hinaus und wartete auf sie.
»Ich fühle mich schon wie eine richtige Fallschirmspringerin.« Lachend drehte sie sich in ihrer Kombi und den Stiefeln einmal um die eigene Achse.
»Das steht Ihnen gut. Ich weiß, dass Marcie Ihnen den Ablauf erklärt hat, tue es aber gern noch einmal und beantworte etwaige Fragen.«
»Marcie hat mir alles gründlich erklärt, und das Video war toll. Mein Gurtzeug ist mit dem Ihren verbunden, und zwar von Anfang bis Ende, was ich sehr beruhigend finde.«
»Das ist eine gute Methode für den ersten Sprung. Dann ist der Stress nicht so groß.«
Sie musste lachen. »Sie haben leicht reden! Ich nehme an, Sie sind laute Schreie gewohnt.«
»Machen Sie sich deswegen keine Sorgen. Wetten, Sie sind viel zu begeistert von der Aussicht, um zu schreien?« Er führte sie zu einem kleinen Trainingsgelände. »Wir werden bis auf viertausend Meter hochgehen. Wenn Sie dazu bereit sind, nehme ich Sie mit auf eine Reise durch den Himmel. Der freie Fall ist wie ein überwältigender Rausch. Es dauert etwa eine Minute, bis sich der Schirm öffnet. Danach schweben Sie und hören jene Stille, die nur ein Fallschirmspringer hört.«
»Sie lieben das.«
»Allerdings!«
»Ich mache das aus mehreren Gründen. Zum einen für meinen Sohn. Ich möchte ihn einfach nicht enttäuschen. Zum anderen, um mich wieder daran zu erinnern, wie furchtlos ich bin. Sagen Sie, Mr. Tripp …«
»Lucas.«
»Sagen Sie, Lucas, wie viele machen da oben einen Rückzieher?«
»Oh, so etwas kommt natürlich vor. Normalerweise weiß ich schon, wer zu den Wackelkandidaten gehört, bevor wir abheben.« Er lächelte sie entspannt an. »Sie gehören eindeutig nicht dazu.«
»•Warum?«
»Weil Sie furchtlos sind. Und so etwas vergisst man nicht. Man verdrängt es höchstens.«
Die Grübchen waren wieder da. »Da haben Sie recht. Diese Lektion habe ich in den letzten Jahren gelernt.«
Er zeigte ihr, wie sie sich auf ihn und auf ihren Körper verlassen sollte, um weich zu landen. Er legte ihr das Gurtzeug um, damit sie sich daran und an das Gefühl gewöhnen konnte,
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