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Sommerglück

Sommerglück

Titel: Sommerglück Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Luanne Rice
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Pflegepersonal besaß. Dort gab es Menschen, Mädchen wie sie, die verstanden, was für ein Leben sie führte, und es nicht sonderbar fanden, wenn sie nachts fremde Stimmen vor ihrem Fenster hörte, die sie zu ihrer Mutter riefen, und die zumindest nachfühlen konnten, wie es war, wenn man in ihrer Haut steckte.
    Wenn man so war wie sie.
    Eliza Day Connolly.
    Annie ahnte es. Sie hatte ein einfühlsames Herz, wie die Mädchen in Banquo, aber gleichzeitig eine verblüffende innere Stärke, die ihr gefiel. Es war faszinierend, wie sie jede Situation meisterte, und Eliza wünschte sich, sie könnte von ihr lernen.
    Aber sie wohnte viel zu weit weg; sie hätte gerne in Hubbard’s Point gewohnt, dann hätte sie Annie häufiger sehen können. Der kleine Ort wirkte verwunschen, als würden dort die Geister aller Verstorbenen zusammenkommen, die geliebt worden waren. Eliza wusste, dass Annie es genauso empfand – ein Grund mehr, sie zu lieben.
    Geister und Sorgen und Geheimnisse.
    Elizas Mutter, zum Beispiel. Wann würde ihr abscheuliches Geheimnis ans Tageslicht kommen? Hatte ihr Vater es bereits entdeckt? Sie liebte ihn über alle Maßen, mehr als er es ahnte, und würde ihr Leben dafür geben, um ihn davor zu bewahren. Deshalb bereitete ihr die Stimme am Fenster so große Sorgen – weil sie Eliza an die Nacht erinnerte, in der ihre Mutter starb.
    Aber die Stimme am Fenster kannte Elizas wahre Gefühle nicht. Und auch nicht das Geheimnis. Deshalb hatte sie überprüfen müssen, ob ein Mensch aus Fleisch und Blut draußen auf dem Dach herumschlich – weil die Stimmen in ihrem Kopf Bescheid gewusst hätten. Und die Stimme am Fenster war ahnungslos. Sie wusste nicht, dass Eliza keine Lust hatte, zu ihrer Mutter zu gehen. Nicht die geringste.
    Familiengeheimnisse.
    Die Banquo-Klinik existierte in ihrem Leben genau genommen nur wegen dieser Familiengeheimnisse. Weil Menschen von Menschen verletzt wurden, die sie am meisten liebten. Was für andere Gründe könnten jemanden sonst in den Wahnsinn treiben? Eliza fiel kein einziger ein. Ihr Vater, einer der größten Geheimniskrämer aller Zeiten, sollte sich in Acht nehmen, denn wer konnte wissen, wie er sein Leben sonst bewältigen wollte. Er brauchte Eliza, um ihn auf Kurs zu halten.
    Eines musste sie allerdings zugeben: Sie machte ihm das Leben bisweilen ziemlich schwer.
    Genauer gesagt – sie tat bisweilen ihr Bestes, um es ihm zur Hölle zu machen. Um ihn als Vater bei der Stange zu halten, ihn daran zu erinnern, dass SIE noch da war, dass SIE ihn noch brauchte, dass SIE ihn nie im Stich lassen würde. Wenn er damit beschäftigt war, sie im Auge zu behalten, hatte er weniger Zeit, sich mit der Frage herumzuquälen, was mit ihrer Mutter geschehen war.
    Der Mann war ein Schatz, aber vollkommen blind, was bestimmte Wahrheiten betraf. Er dachte, seine liebe Charlotte hätte ihn erst mit ihrem Tode verlassen, an ihrem letzten Abend am Straßenrand. Ha!
    Manchmal wusste eine Tochter es besser.
    Ihre Lungen brannten, und ihr Herz hämmerte in der knochigen Brust, als Eliza ihren Vater durch das Fenster beobachtete. Sie wusste, dass er eine Weile beschäftigt sein würde …
    Sie schloss die Augen, dachte an das Gespräch ihrer Mutter mit Sean McCabe. Der ihre Bankangelegenheiten regelte, dem sie vertraute.
    Seltsam, dass Annie, ihre neue und einzige beste Freundin, Sean McCabes Tochter war; aber wozu sollte es gut sein, an D. I. D.  – auch Schizophrenie genannt – zu leiden, wenn man die Krankheit nicht benutzen konnte, um sich gelegentlich aus der Realität auszuklinken, wenn man es am meisten brauchte? Um nicht von dem maronenfarbenen Van zu träumen …
    Oder krampfhaft zu überlegen, woher sie ihn kannte. Der Gedanke quälte sie, sie wusste, dass sie den Wagen schon einmal gesehen hatte. Aber wo? Und wo hatte sie die Stimme vor ihrem Fenster schon einmal gehört?
    Diese Fragen raubten ihr den Verstand, deshalb hob sie das Messer.
    Sie wählte eine Stelle am Körper aus, die ihr Vater nicht sehen würde – die Oberseite des Unterarms, direkt unter dem Gelenk; es war mittlerweile Herbst und kühl, und lange Ärmel waren in Ordnung. Eliza setzte die Klinge an, unendlich behutsam, und ritzte die Haut.
    Nichts Dramatisches. Nur um dem Blut seinen freien Lauf zu lassen, es fließen zu sehen. Einen Tropfen Blut. Und noch einen.
    Ihr Blut; Elizas Blut.
    Sie erschrak jedes Mal, wenn sie es sah.
    Sie wünschte, sie könnte weinen. Ihr war danach zumute,

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