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Sommerglück

Sommerglück

Titel: Sommerglück Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Luanne Rice
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beinahe …
    Sie sah zu, wie das Blut aus der winzigen Schnittwunde quoll, an ihrem Arm hinabrann, und litt Höllenqualen, weil sie wusste, dass der Mensch nur aus Blut und Knochen bestand und der Tod das alles blitzschnell dahinraffen konnte, und dass die Liebe oft dem Zorn wich, und dass man mit beiden nicht wusste, wohin …
    Sie ließ das Blut an ihrem Arm herunterrinnen, auf den Schreibtisch ihres Großvaters aus dunklem seltenen Holz, und sie beobachtete, wie es über Poseidons Mahagoni-Gesicht floss, in die Meereswellen, die sich zu seinen Füßen kräuselten, und mit zusammengebissenen Zähnen, aber ohne eine Träne in den Augen, rieb Eliza ihr Blut in das Gesicht des Königs, ins Meer.

[home]
    21
    S amstag war ein langer, herrlicher, einsamer, schrecklicher Tag. Annie hatte das Gefühl, als würde sie sich einen Kinofilm ansehen, der ihr gefiel, nur um festzustellen, dass sie keine Zuschauerin, sondern Mitwirkende war, weil sich in Wirklichkeit ihr eigenes Leben vor ihren Augen abspulte. Zumindest zeitweilig schienen die meisten ihrer Wünsche wahr zu werden. Aber auch Ängste, von denen sie nichts geahnt hatte …
    Es begann damit, dass Eliza um halb zehn gebracht wurde. Ihr Dad bog mit dem Pick-up in die Auffahrt ein, und Annies Mom ging nach draußen, um ihn für halb sieben zum Abendessen einzuladen. Eliza durfte nur deshalb so früh kommen, weil sie beide versprochen hatten, zwei Stunden Hausaufgaben zu machen, und sie beschlossen, das Unangenehme zuerst zu erledigen.
    Während sich ihre Eltern in der Auffahrt berieten, gingen die Mädchen nach oben, in Annies Zimmer, wo Annie Eliza den Platz an ihrem Schreibtisch anbot.
    »Nein, lass nur. Ich nehme lieber dein Bett«, sagte Eliza und ließ sich darauf fallen.
    »Aber am Schreibtisch kann man sich besser konzentrieren«, warf Annie ein.
    »Vielen Dank. Ich weiß, aber ich bin ein bisschen lahm. Meinem Körper ist heute nicht nach aufrechter Haltung zumute.«
    »Isst du was?«
    Eliza schüttelte den Kopf. »Aber verrat es niemandem. Mein Vater hat gedroht, mich nach Banquo zurückzuschicken, wenn ich nicht endlich damit anfange. Er ist … nervig.«
    »Er macht sich Sorgen um dich.« Annie war auch besorgt. Eliza sah dünner aus als je zuvor, als wäre jede Zelle ihres Körpers unterernährt und im Schwinden begriffen.
    »Dazu besteht keine Veranlassung. Ich bin diejenige, die allen Grund dazu hätte, sich Sorgen zu machen. Um IHN . Er ist der Nagel zu meinem Sarg.«
    »Dein Vater?«, fragte Annie entgeistert und darüber erschrocken, wie Eliza von ihrem Vater redete.
    »Ja. Seit seine Werkstatt beinahe Konkurs anmelden musste, ist er völlig verändert. Lacht kaum noch. Apropos Essen … Wenn Männer mittleren Alters magersüchtig sein können, wäre er ein Kandidat. Seit letztem Jahr …«
    »War das nicht die Zeit, in der deine Mutter starb?«
    Eliza hatte auf Annies Bett alle viere von sich gestreckt und blickte sie mit funkelnden Augen an. »Ja. Und du weißt ja, dadurch verändert sich alles.«
    »Vielleicht ist dein Vater nur traurig.«
    »Das ist ziemlich kompliziert.« Eliza nahm Annies Kissen in den Arm und küsste es, als wäre es ein Baby. »Danke, dass du mir helfen willst, mir über verschiedene Dinge klar zu werden, aber das ist das Problem mit Familiengeheimnissen: Wir würden uns lieber die Zunge abbeißen, als ein Sterbenswörtchen darüber zu verlieren. Also … was hast du als Hausaufgaben auf? Ich muss Englisch machen.«
    »Und ich Französisch.« Annie lächelte, aufgeregt bei dem Gedanken an Familiengeheimnisse … Sie hatte selber ein paar, und es war noch früh am Morgen, und der Tag lag noch vor ihnen. Genau in dem Moment ging die Tür auf, und ihre Mutter trat mit einem Teller Obst ein, in mundgerechte Stücke geschnitten – als wäre sie von Mr.Connolly vorgeschickt worden.
    »Hier, ihr zwei. Nahrung fürs Gehirn, während ihr lernt.«
    »Mmmm, Äpfel und Birnen«, sagte Eliza und strahlte, als hätte man ihr gerade eine Platte mit Gold und Silber gereicht. »Die LIEBE ich. VIELEN Dank.«
    »Keine Ursache, Eliza. Wir freuen uns, dass du da bist.«
    »Ich auch.« Eliza strahlte noch immer.
    Als ihre Mutter den Raum verlassen hatte, nahm sich Annie ein paar Scheiben, dann reichte sie Eliza den Teller. Sie schüttelte den Kopf. »Nein danke.«
    »Aber du sagtest doch, du magst Obst.«
    »Tue ich auch.« Eliza holte ihr Englischbuch aus dem Rucksack. »Aber ich esse es nicht.«
    Annie nickte. Sie verstand und

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