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Sommerglück

Sommerglück

Titel: Sommerglück Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Luanne Rice
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Silver Bay, eine Meile vorher. Nichts als Felder und Wälder an der Stelle, wo Charlie die Straße überquerte. Völlig ziellos – nur um Elizas Wutausbruch zu entgehen.«
    »Oh Dan.«
    »Sie wurde von einem Van erfasst, er kam aus Richtung Silver Bay; der Fahrer hielt nicht einmal an.«
    Bay fand keine Worte. Sie war die Strecke in den letzten Monaten häufig gefahren, erst letzte Woche. Sie dachte an die Kurve, die man nicht einsehen konnte, und wie Charlie die Straße überquerte, während Eliza im Wagen saß und alles mit ansehen musste.
    »Eliza hatte einen Zusammenbruch.« Dans Stimme war rau. »Vor dem Unfall war sie ein ganz anderer Mensch. Sie hatte schon immer ein ungezügeltes Temperament, aber sie war glücklich und vergnügt – für jeden Spaß zu haben. Obwohl … in der Woche vor dem Unfall wirkte sie ein wenig in sich gekehrt. Als bereitete ihr etwas Kopfzerbrechen. Ich sprach Charlie darauf an, und sie meinte, das habe mit der Pubertät zu tun. Doch nach dem Unfall … ging Eliza auf Distanz.«
    »Distanz?«
    »Zu sich selbst. Zu mir. Eine Art innerer Rückzug.«
    »Aber sie erzählte dir, was passiert war?«
    »Ja – anfangs schon. Sie war hysterisch, absolut davon überzeugt, dass es ihre Schuld war, weil sie ihre Mutter in Rage gebracht hatte. Sie erklärte, der Van hätte direkt auf Charlie zugehalten, als wollte er sie mit
Absicht
überfahren, und sei dann einfach davongebraust …«
    »Wurde der Fahrer ermittelt?«
    »Nein. Ihre Beschreibung des Fahrzeugs war widersprüchlich: Zuerst sagte sie, es sei ein dunkelroter Van gewesen, dann meinte sie, er könne auch weiß und mit Blutspritzern übersät gewesen sein. Und später erklärte sie, er sei dunkelgrün gewesen, oder marineblau oder schwarz …«
    »Wie schrecklich für Eliza. Unvorstellbar, dass ein Kind mit ansehen muss, wie seine Mutter umkommt. Kein Wunder, dass sie völlig am Boden zerstört ist.«
    »Sie hat das Bedürfnis, bei ihrer Mutter zu sein.«
    »Sagt sie das?«
    »Nein. Aber sie bildet sich ein, Stimmen zu hören, die sie rufen und ihr sagen, dass ihre Mutter sie braucht. Sie glaubt, dass sie an ihr Schlafzimmerfenster kommen, sie nennt sie die ›Monster‹. Psychisch ist sie im Höchstmaß labil; ihr Blick enthält immer einen Anflug von Panik. Panik und ständige, hilflose Sehnsucht –«
    »Warum nennt sie die Stimmen Monster, wenn sie Eliza doch zu ihrer Mutter bringen wollen?«
    »Ich weiß es nicht. Von Logik kann bei ihr keine Rede sein.«
    »Du hast sie in die Klinik geschickt?«
    »Ja. Beim ersten Mal dachte ich, das überlebe ich nicht. Ich weiß, das klingt melodramatisch, aber sie ist mein Kind. Hilflos mit ansehen zu müssen, wie sie sich zu Tode hungert, sich selbst verstümmelt – das ist furchtbar. Während ihres ersten Aufenthaltes hatte ich das Bedürfnis, sie jeden Tag zu besuchen. Sie baten mich, es zu unterlassen, ihr die Chance zu geben, gesund zu werden. Das war die schlimmste Zeit meines Lebens, ich sehnte mich nach meiner Tochter, wusste aber, dass sie ihren Weg alleine gehen musste, um zu genesen.«
    »Aber du hast es durchgestanden.«
    »Ja. Nach ihrer Rückkehr dachte ich, Gott sei Dank. Von jetzt an werde ich alles richtig machen – ich werde sie aufmuntern, ihre Lieblingsgerichte kaufen, keine Überstunden mehr machen, damit sie sich nicht einsam fühlt …«
    »Aber es hat nichts genutzt?«
    Dan schüttelte den Kopf. »Nein. Mein Traum vom perfekten Vater ging in die Binsen. Als sie das nächste Mal in die Klinik musste, fiel es mir schon ein wenig leichter, sie in der Obhut der Ärzte zu lassen. Und beim letzten Mal war ich regelrecht darüber erleichtert, sie in guten Händen zu wissen – hoffentlich erfährt sie niemals, wie sehr.«
    »Doch nur weil du willst, dass sie optimal betreut und gesund wird. Du musst ja außer dir vor Sorge sein.«
    »Du machst dir keine Vorstellung.« Danny war immer ein liebevoller, fürsorglicher Mensch gewesen, und Bay spürte eine beinahe greifbare Anziehungskraft zwischen ihnen. Sie umklammerte seine Hände. Dann zog er sie beide aus den Sesseln hoch und zog sie in seine Arme.
    Vor dem Feuer stehend, während der Oktoberwind durch den Kamin hinabfegte und die Asche auf dem Feuerrost hochwirbelte, schmiegte Bay sich an ihn, spürte sein Herz schlagen. Seine Arme, die um ihren Rücken geschlungen waren, drückten sie noch enger an sich. Er roch nach Zedern und Gewürzen, sein blauer Baumwoll-Sweater war weich an ihrer Wange, und ein leises

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