Sommerkuesse
– bestimmt nicht zum ersten Mal – eine total zerfledderte Ausgabe von »Der Doktor und das liebe Vieh«.
»Deine Haare sind ganz strubbelig«, sagt sie plötzlich. Sie steht auf, geht zu ihrer Kommode und holt eine große Bürste mit Holzgriff aus der Schublade. Zwischen den Borsten stecken noch ein paar blonde Haare.
Sie setzt sich hinter mich und bürstet mir die Haare mit genau dem richtigen Druck, nicht so zaghaft, dass ich nichts spüre, aber eben auch nicht so fest, dass es ziept.
»Mhm, fühlt sich gut an.« Meine Stimme klingt unerwartet tief, beinahe wie ein Schnurren.
»Ich hab ja auch Übung.«
»Stimmt. Deine Haare waren länger als meine«, sage ich.
»Genau, und Dante und Beatrice muss ich ja auch oft bürsten.« Sie kichert.
Ich versuche zu bellen.
»Du alberner Fratz«, gluckst Battle, legt die Bürste neben sich und beugt sich vor, um mich zu küssen.
Jetzt verstehe ich, warum es in Liedertexten so oft heißt, dass Lust elektrisierend sei.
Wenn man die Energie, die gerade durch meinen Körper strömt, irgendwie speichern könnte, ließe sich damit eine ganze Stadt versorgen.
feldbeobachtungen:
ich möchte battle gern irgendwas schenken. vielleicht zu unserem dreiwöchigen. das hundebuch war okay, aber was selbst gemachtes wäre schöner. nur was?
eine zeichnung? bah, nee – dazu bin ich nicht gut genug. vielleicht fällt mir noch was ein.
18. Juli, 19:45 Uhr, unter dem großen Baum im Park
Battle und ich sitzen über unseren Hausaufgaben. In meinem Fall handelt es sich dabei um ein heilloses Durcheinander von Kopien und handbeschriebenen Blättern mit kleinen Kritzelzeichnungen am Rand. Sie hat dagegen einen ordentlichen Stapel Bücher vor sich, in denen gelbe Haftnotizen kleben, die wichtige Absätze markieren.
Zum ersten Mal seit Tagen hat die unerträgliche Hitze etwas nachgelassen. Der Himmel über uns strahlt in einer Mischung aus Rosa und Violett, die sich in Blau- und Grautönen auflöst. Es weht eine unmerkliche Brise.
»Da seid ihr! Ich suche euch überall! Ich dachte schon, ihr
hättet euch in eine versteckte Ecke zurückgezogen und würdet euch verlustieren«, sagt Katrina.
»Genau das tun wir ja auch«, sage ich. »Das hier sind Auszüge aus dem Kamasutra.«
»Ihr müsst unbedingt mit zu mir kommen. Sofort«, befiehlt Katrina, ohne mich zu beachten. »Wir. Müssen. Uns. Unterhalten.« Ich kann die Großbuchstaben förmlich hören.
»Und warum können wir uns nicht hier unterhalten?«, frage ich.
Katrina springt hinter den Baumstamm, duckt sich und späht hervor. »Spione«, flüstert sie theatralisch. »Sie lauern überall. Außerdem gibt es bei mir im Zimmer koffeinhaltige Getränke und den Rest meines Zigarettenvorrats – der übrigens zur Neige geht.«
»O Schreck!«, sagt Battle. »Heißt das etwa, du musst in Zukunft ohne deine tägliche Dosis Schadstoffe auskommen?«
»Mund halten und mitkommen!« Katrina hüpft ungeduldig auf und ab.
Wir stehen auf – zu langsam für Katrina – und folgen ihr nach drinnen, die Treppe hinauf in ihr Zimmer.
Battles Haar fängt schon an nachzuwachsen. Ich hatte erwartet, es würde sich stoppelig anfühlen, wie Beine, die längere Zeit nicht rasiert wurden. Aber es erinnert eher an weichen Velourstoff, und obwohl es so kurz ist, fängt sich das Licht darin, was aussieht, als hätte Battle einen Heiligenschein.
»Also, es geht um Folgendes.« Katrina lässt sich in den Knautschsack fallen. »Vielleicht findet ihr es ja total abartig. Aber, hey – ihr seid selbst pervertierte Sünderinnen, wie meine
Großeltern sagen würden, also habt ihr kein Recht, geschockt zu tun.«
»Schön, dass du dich an unserem sündigen Treiben so ergötzen kannst«, sage ich, während ich über den Flaum auf Battles Kopf streichle.
»Wieso? Was lebst du für sündige Gelüste aus?«, will Battle wissen.
Katrina zündet sich eine Zigarette an und zieht den Rauch tief in die Lunge. »Noch keine – noch! Aber ich hab da so ein Gefühl. Und ich glaub, es beruht auf Gegenseitigkeit.«
Endlich hat es bei ihr gefunkt! Am liebsten würde ich Isaac gleich anrufen.
»Ja, doch«, fährt sie fort. »Wie er sich im Unterricht immer benimmt, wie er mich anschaut, wenn er mir Fragen stellt, und dann die Bemerkungen, die er unter meine Arbeiten schreibt …«
Äh … Sekunde – Isaac ist doch gar nicht bei ihr im Kurs.
»Katrina – redest du etwa von eurem Dozenten ?«, frage ich. Das Wort »Dozent« kreische ich fast.
»Na klar – hätte ich
Weitere Kostenlose Bücher